Wien – Theodor Thanner, Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde, will bis Mitte Februar darüber entscheiden, ob gegen Amazon ermittelt wird. "In diesem Fall ist es klug, die Kräfte zu bündeln. Es braucht hier einheitliche Regelungen über einzelne Länder hinweg", sagte er dem STANDARD am Rande einer Podiumsdiskussion der Arbeiterkammer rund um die Macht der Internetkonzerne.

Die Kartellbehörde werde sich im Jänner mit deutschen Kollegen und Experten der EU-Kommission beraten. Österreich wolle ein Motor sein, was Aufklärung rund um Marktbeherrschung und Sanktionen betreffe. Und der Handelsverband sei ein starker Verbündeter.

BWB-Chef Thanner wähnt mit dem Kartellrecht gute Instrumente in Händen zu halten.

Der Sachverhalt sei aber komplex. Auch stehe Amazon ein Heer an Anwälten zur Verfügung. Die personellen Ressourcen der österreichischen Behörde seien für einen Alleingang zu begrenzt.

Thanner ist aber überzeugt, mit dem Kartellrecht gute Instrumente in Händen zu haben. "Nur wird es nicht von heute auf morgen gehen", ergänzt er mit Blick auf ein Verfahren der EU-Kommission gegen Google, das sieben Jahre währte.

Thanner nennt Datenriesen die "fünfte Gewalt im Staat", die über Gesetzgebung, Rechtssprechung, Verwaltung und Medien herrsche. Und er erinnert an ein Ungleichgewicht: Während etwa die Eröffnung eines Geldinstituts oder der Bau eines Hauses unzähligen Regeln unterliege, brauche es derzeit für die Gründung einer Suchmaschine keine einzige Bewilligung.

Amazon statt Relentless

Eine Gemeinsamkeit mit Amazon macht Thanner dennoch aus: Der Konzern wollte sich einst "Relentless", zu deutsch unerbittlich, nennen. Wer das Wort als Webadresse eingibt, landet flugs auf der Homepage von Amazon. Thanner: "Unerbittlich sind auch wir."

Für Leonhard Plank, Experte an der Technischen Uni Wien, stellt sich nicht mehr die Frage, ob globale Konzerne reguliert werden, sondern wie. Den Marktplatz von Amazon, über den Drittanbieter ihre Ware vertreiben, vergleicht er mit einem Flaschenhals: Wer online reüssieren wolle, müsse da durch. Plank verfasste mit Kollegen eine Studie, die das rasante Wachstum der Internetriesen dokumentiert. Allein Google könnte demnach mit seinen Rücklagen alle 20 im ATX notierten Konzerne aufkaufen, Apple sogar Firmen wie Samsung, Shell oder Pfizer.

Illusion der Kontrolle

Plank schlägt vor, die Kriterien zur Fusionskontrolle um Faktoren wie Nutzerzahlen und Datenkonzentration zu erweitern. Zudem brauche es eine Schlichtungsstelle in Europa als Anlaufstelle für Konsumenten und Unternehmen. Bei Amazon stellt er eine Abspaltung des Marktplatzes vom restlichen Unternehmen in den Raum.

Im Fokus der digitalen Welt sei die kommerzielle Sammlung mikrofeiner Nutzerdaten, resümiert Ursula Pachl, Vize-Generaldirektorin des EU-Verbraucherschutzverbands Beuc. Die Daten kontrollieren zu wollen, sei Illusion. Konsumenten hätten keine Wahlmöglichkeit, fühlten sich ohnmächtig.

Aus ihrer Sicht reicht das Wettbewerbsrecht zur Regulierung allein nicht aus. Auch die Expertise aus den Verbraucher- und Datenschutzrechten sei gefragt. "Es darf aber nicht länger den Konsumenten aufgebürdet werden, in diesem Dschungel den richtigen Weg zu finden." (Verena Kainrath, 12.12.2018)