Am 9. September bestimmen knapp 7,3 Millionen Wahlberechtigte in Schweden die Zusammensetzung des neuen Parlaments. Die bisherige rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Stefan Löfven steht laut Meinungsumfragen vor dem Aus. Doch wer ihm nachfolgt, ist völlig ungewiss. Ein wichtiger Faktor werden mit Sicherheit die rechtspopulistischen Schwedendemokraten sein.

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STANDARD: Was ist das Besondere an der kommenden Wahl zum schwedischen Reichstag?

Madestam: Es ist völlig unklar, wer die Regierung bilden wird. Traditionell war das schwedische Parteiensystem immer relativ stabil mit den Sozialdemokraten als größter Partei. Doch jetzt stehen die Sozialdemokraten vor dem schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte – die Schwedendemokraten hingegen legen stark zu. Das ist historisch einmalig in der schwedischen Politik.

STANDARD: Auch in Schweden verlieren also die großen Parteien in der Mitte, die Extreme auf der Linken und vor allem auf der Rechten gewinnen dazu. Warum?

Madestam: Der Niedergang der Sozialdemokraten folgt dem europäischen Muster. Was bedeuten Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit in der individualistischen Gesellschaft von heute? Auf diese Fragen suchen die kollektivistischen Sozialdemokraten noch immer eine Antwort. Die Schwedendemokraten hingegen profitieren vom internationalen Aufwind nationalistischer Parteien. In unserer globalisierten Gesellschaft fallen Grenzen, verschiedene Kulturen treffen aufeinander. Einige Gruppen empfinden sich als Verlierer. Das schafft Unruhe, und die Schwedendemokraten schlagen daraus Gewinn.

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Der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven bei einer Wahlveranstaltung.
Foto: Nils Petter Nilsson/TT News Agency/via REUTERS/File Photo

STANDARD: Schweden befindet sich inmitten einer Hochkonjunktur, die Arbeitslosigkeit sinkt, das Wachstum ist stabil. Dennoch scheint Ministerpräsident Stefan Löfven von diesen Erfolgen nicht profitieren zu können ...

Madestam: Ja, das liegt vermutlich auch an der Flüchtlingskrise von 2015. In der anschließenden Debatte ging es vor allem um all die Probleme, die Migration mit sich bringt – für die Behörden und für die Menschen in Schweden. Der Diskurs war sehr düster und ist es immer noch.

STANDARD: Insgesamt scheint der aktuelle Wahlkampf aber die Menschen nicht wirklich zu bewegen ...

Madestam: Das stimmt, denn es gibt kein dominantes Thema. Gesundheitswesen, Migration und Integration, Recht und Ordnung, seit kurzem auch das Klima – das sind alles wichtige Fragen in der Debatte. Aber es gibt nicht dieses eine Thema, bei dem sich die Parteien deutlich unterscheiden.

STANDARD: Vermutlich erhält weder das linke noch das bürgerliche Lager eine Mehrheit. Die Schwedendemokraten verhindern das wohl. Gleichzeitig will niemand mit den Rechtspopulisten zusammenarbeiten. Wie soll es da zu einer Regierung kommen?

Madestam: Im Moment sieht es so aus, als ob die Blöcke bestehen bleiben. Einige bürgerliche Parteien würden nie mit Rot-Grün zusammenarbeiten. Aber es ist nicht auszuschließen, dass dennoch eine Regierung über Blockgrenzen hinweg gebildet wird, wenn es schwer wird, eine Mehrheit im Parlament zu finden. Doch das Ergebnis ist diesmal wirklich fast unmöglich vorherzusagen. (Karin Bock-Häggmark aus Stockholm, 30.8.2019)