Kaum zwei Wochen nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft hat die österreichische Bundesregierung ihren ersten wirklichen Skandal produziert. Auslöser dafür ist FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, der gleichzeitig auch Abgeordneter im Europäischen Parlament ist.

Er hat am Freitag via Presseaussendung den Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, in einer Art und Weise attackiert und direkt zum Rücktritt aufgefordert, wie das beispiellos ist aus einer Partei in Regierungsverantwortung, die gerade den EU-Vorsitz zu bewältigen hat.

In einer Sprache, die ganz an die Angriffe der extrem rechten Fraktion im EU-Parlament erinnert, spricht der FPÖ-Parteimanager wörtlich vom "Auftritt eines torkelnden und von mehreren Staatschefs gestützten EU-Kommissionspräsidenten" beim Nato-Gipfel in Brüssel am Mittwoch. Dieser mache "die gesamte Union zur Lachnummer" in einer "schwierigen Situation für die EU". Juncker habe "ein Alkoholproblem", meint Vilimsky, und höhnt, dass es "Quatsch" sei, wenn die Kommission von "allgemeinen Gesundheitsproblemen" rede.

Juncker wollte nicht im Rollstuhl sitzen

Eine solche Erklärung wäre an sich schon problematisch. Zum Riesenproblem wird sie für die Regierung, weil der FPÖ-Politiker auf ein Ereignis Bezug nimmt, das europaweit für gehörige Aufmerksamkeit sorgte. Juncker war am Mittwoch trotz eines schweren Rückenleidens mit großen Schmerzen beim Galaempfang der Staats- und Regierungschefs erschienen.

Er musste von Kollegen gestützt werden, als er zum Familienfoto auf das Podium steigen wollte. Sehr diskret haben ihm dann einige Regierungschefs dann beim Gang zum Abendessen geholfen. Später gab es sogar Bilder von Juncker im Rollstuhl. Seine Rückenbeschwerden sind Spätfolge eines schweren Autounfalls, nach dem Juncker wochenlang im Koma gelegen war und den er fast nicht überlebt hätte.

Bizarre Ausfälligkeit

Vor diesem Hintergrund erscheint die Attacke Vilimskys wie eine bizarre Ausfälligkeit eines Politikers. Es wirkt, als habe er gerade einen Behinderten verspottet. In der Kommission wurde das auch aufmerksam verfolgt. Der FPÖ-Generalsekretär hat das Ansehen Österreichs schwerst beschädigt. Seine Aussendung wirkt auf den Präsidenten der EU-Kommission wie ein feindseliger Akt aus einer Regierung, deren kooperative Zusammenarbeit er erst vergangene Woche explizit gelobt hatte.

Es ist geradezu undenkbar, dass der Koalitionspartner ÖVP beziehungsweise Bundeskanzler Sebastian Kurz, der bis Jahresende EU-Ratsvorsitzender ist, darauf nicht reagiert. Eine scharfe Zurechtweisung des FPÖ-Politikers, wenn nicht gar dessen Rücktritt als Generalsekretär, wäre angebracht. Gefordert ist vor allem Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Mit Leuten wie Vilimsky wird er in Europa nie die erwünschte Anerkennung als seriöser Parteichef erlangen. (Thomas Mayer, 13.7.2018)