Wien – Der russische Unternehmer und Oligarch Oleg Deripaska ist einer der reichsten Männer Russlands. Das "Forbes"-Magazin schätzt sein Privatvermögen aktuell auf 3,5 Milliarden Dollar (2,9 Milliarden Euro). Die Entscheidung der Strabag, ihrem Miteigentümer Deripaska für das Geschäftsjahr 2017 die Dividende in Höhe von 37 Millionen Euro vorzuenthalten, ist für ihn also am ehesten ein Nadelstich.

Die Vorgehensweise der Strabag aber ist interessant. Denn am Beispiel des größten österreichischen Baukonzerns wird ersichtlich, wie US-Sanktionen in der Praxis funktionieren und weshalb Washingtons wirtschaftspolitischer Einfluss global derart groß ist.

Deripaska hält an der Strabag über ein zypriotisches Unternehmen namens Rasperia 25,9 Prozent der Anteile.

Der Oligarch findet sich seit Anfang April auf einer US-Sanktionsliste gegen Russland wieder. Sie ist Teil der Strafmaßnahmen gegen Moskau wegen der russischen Annexion der Krim und der Unterstützung Russlands für die Aufständischen in der Ostukraine. Die US-Regierung sieht in Deripaska einen engen Verbündeten der Moskauer Regierung.

Auch von ihm beherrschte Gesellschaften wie die Basic Element Limited, über die Derpiaska seine Beteiligung an Rasperia und damit an der Strabag hält, stehen auf der Sanktionsliste. US-Unternehmen und US-Personen ist es verboten, mit dem Russen und Firmen wie der Basic Element Geschäfte zu machen.

Damoklesschwert über ausländischen Unternehmen

Aber warum zwingt das die Strabag als österreichisches Unternehmen dazu, Deripaska seine Dividende vorzuenthalten? Bei der Strabag heißt es, die Sperre sei auf Basis eines Gutachtens erfolgt, das bei einer US-Anwaltskanzlei eingeholt wurde. Das Problem stellt sich aus Sicht des Konzerns so dar: Die US-Maßnahmen betreffen direkt zwar nur US-Einrichtungen, bedrohen aber jeden Konzern weltweit.

Laut US-Gesetz ist der Präsident nämlich dazu ermächtigt, Sanktionen gegen Unternehmen zu verhängen, wenn diese "signifikante" Geschäftsbeziehungen zu Deripaska oder einem der anderen russischen Oligarchen unterhalten, die ins Visier Washingtons geraten sind. Wer also Deals mit den Personen macht, die auf der schwarzen Liste der USA stehen, kann selbst dort landen. In der Praxis entscheidet nicht der Präsident, sondern eine Behörde im Finanzministerium, das Office of Foreign Assets Control (Ofac). Es ist für die wirtschaftliche Kriegsführung der USA verantwortlich.

Souveränitätsverletzung

Das Ofac gibt nur nebulöse Kriterien heraus, wann es ein europäisches Unternehmen bestrafen würde, weil dieses aus US-Sicht untersagte Geschäfte tätigt. Laut Ofac kommt es auf den Umfang der Geschäftsbeziehungen an, die Häufigkeit von Transaktionen.

Diese mögliche extraterritoriale Geltung der US-Sanktionen sieht August Reinisch, Völkerrechtler an der Universität Wien, als höchst problematisch an. "Die USA dehnen ihre Rechtsordnung auf andere Länder und ausländische Unternehmen aus", sagt er. Im Fall Strabag sei das was passiert defacto eine "Einmischung in österreichische Hoheitsgewalt".

Würde die Strabag wegen der Dividendenzahlungen an Deripaska aber wirklich ins Visier der Amerikaner geraten?

Schwer zu sagen. Genau dieser Schwebezustand ist ein Teil der Erfolgsstrategie hinter den US-Sanktionen: Für ausländische Unternehmen wird ein nicht abschätzbares Risiko geschaffen. Allein schon wenn die Gefahr besteht, im Sanktionsterrain zu landen, schrecken Konzerne zurück, stoppen Deals oder zahlen eben keine Dividende. Eine Strafe auszusprechen ist aus Sicht der US-Behörden meist nicht nötig.

Bild nicht mehr verfügbar.

Russlands Präsident Vladimir Putin mit dem Unternehmer Oleg Deripaska.
Foto: AP

In der Vergangenheit gab es dennoch einige spektakuläre Strafen gegen europäische Unternehmen, die gegen US-Sanktionen verstoßen haben. BNP Paribas etwa musste 2014 fast eine Milliarde US-Dollar zahlen, weil die französische Bank Finanzgeschäfte mit dem Iran und dem Sudan getätigt hatte, trotz aufrechter US-Sanktionen.

Die Strabag, die im Gegensatz zu der BNP Paribas in den USA kaum aktiv ist, muss aber nicht nur Geldstrafen fürchten. Würde der Baukonzern wegen eines Bruchs der Russland-Sanktionen selbst bestraft werden, dürften US-Unternehmen mit der Strabag keine Geschäfte mehr machen. Die Strabag könnte bei Microsoft nicht einmal neue Windows-Programme erwerben.

Deripaskas Rechte

Eine heikle Frage ist, ob die Strabag nach österreichischem Recht die Dividende zurückhalten darf. Stephan Denk von der Anwaltskanzlei Freshfields sagt, dass Banken und Versicherungen in ihren Verträgen oft explizit hineinschreiben, dass sie zu Auszahlungen nicht verpflichtet sind, wenn Transaktionen gegen US-Sanktionen verstoßen.

So eine privatrechtliche Absicherung hat die Strabag mit ihrem Gesellschafter Deripaska nicht getroffen. Was ist, wenn er seine Dividende einklagt? Laut einem Strabag-Gutachten besteht eine Treuepflicht des Großaktionärs zu seinem Unternehmen. Er dürfte also die Dividende nicht einfordern, wenn das die Strabag in existenzgefährdende Probleme stürzen würde.

Der auf Gesellschaftsrecht spezialisierte Anwalt Clemens Grossmayer von der Kanzlei CMS sieht das etwas anders: Die Treuepflichten eines Aktionärs gehen nicht so weit, dass dieser auf Geld verzichten muss. Deripaska könnte also klagen. Nachsatz Grossmayers: Für die Strabag sei es das geringere Risiko, eine Klage in Kauf zu nehmen, als auf einer schwarzen Liste Washingtons zu landen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Deripaska ist einer von sieben russischen Oligarchen, die seit April auf der US-Sanktionsliste ganz oben stehen. Auch zwölf von diesen Magnaten kontrollierte Konzerne stehen auf der schwarzen Liste.
Foto: Reuters

Für Deripaska ist die Strabag nur eine Nebenfront. Wegen des US-Drucks musste er seine Mehrheitsbeteiligung am Aluminiumkonzerns Rusal abgeben. Drei geleaste Privatjets musste er wegen der Sanktionen zurückgeben. Die Nadelstiche werden mehr.

Druck auf den Iran

Im Fall der Strabag übrigens darf Deripaska zumindest hoffen: Die Dividende für Deripaska wird nicht gestrichen, der Baukonzern behält sie ein. Sollte Deripaska irgendwann nicht mehr auf der Sanktionsliste aufscheinen, würde er das Geld erhalten.

Apropos Sanktionen: Am Mittwoch gab die österreichische Oberbank bekannt, sich aus dem Iran zurückzuziehen. Die Bank hatte sich im September wieder in den Iran vorgewagt. Als Grund für den Schritt werden die US-Sanktionen gegen den Iran angegeben. Die USA sind aus dem Atomdeal mit Teheran im Mai ausgestiegen. (András Szigetvari, 14.6.2018)