Zwei, die sich verstehen: Bundeskanzler Sebastian Kurz traf am Mittwoch den deutschen Innenminister Horst Seehofer in Berlin.

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Als Sebastian Kurz und Horst Seehofer Mittwochmittag im deutschen Innenministerium vor die Presse treten, ist die Stimmung gut. Der österreichische Kanzler und der deutsche Innenminister zeigen, wie sehr sie einander zugetan sind. Von einer "persönlichen Partnerschaft" schwärmt Seehofer, und Kurz gibt zurück: "Ich möchte mich für die langjährige Zusammenarbeit bedanken." Er habe bei der Schließung der Balkanroute von Seehofer immer "Unterstützung erhalten".

Einen guten Draht hat Seehofer auch zum neuen italienischen Innenminister Matteo Salvini (Lega Nord). Der verkündete nach einem Telefonat mit seinem deutschen Kollegen am Mittwoch im Corriere della Sera: "Wir sind dabei, eine italienisch-deutsche Achse aufzubauen, die auf einem wesentlichen Motto basiert: Die Außengrenzen schützen. Dies bedeutet, das Mittelmeer und daher auch Italien zu verteidigen."

In Berlin macht Kurz deutlich, dass Wien auch mit von der Partie sein will: Man werde eine "Achse der Willigen" zwischen Wien, Rom und Berlin ins Leben rufen, um "die illegale Migration" weiter zu reduzieren. Kurz zeigte sich erfreut, dass "mittlerweile die Gruppe derer, die uns unterstützen, größer geworden ist". 2015 und 2016 sei er ja noch eher allein "gegen die Politik der offenen Grenzen" aufgetreten.

Salvini lobt Vorschlag von Kurz

Salvini lobt den Vorschlag von Kurz, EU-Grenzschützer künftig auch in Nordafrika tätig werden zu lassen, um Migranten an der Überfahrt über das Mittelmeer zu hindern. "Das ist unser erstes Ziel: Dabei müssen menschlich verwaltete Flüchtlingszentren entstehen, die Abfahrten und Tote im Mittelmeer abwenden können." Nächste Woche will er mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in Rom darüber reden.

Aus Sicht von Kanzlerin Angela Merkel hat die neue Achse allerdings einen Schönheitsfehler: Niemand hat es für nötig befunden, sie darüber zu informieren. Man kenne diesen Vorstoß nicht, erklärte ihr Sprecher. Dabei war Kurz am Abend zuvor mit Merkel zusammengetroffen und hatte mit ihr über die Asylpolitik gesprochen.

Man war sich einig, für besseren Schutz der EU-Außengrenzen zu sorgen, und Kurz hatte signalisiert, er wolle in der Asylpolitik eine "europäische Lösung". Merkel zeigte sich, auf die "Achse" angesprochen, wenig angetan: "Ich glaube, dass es viele Kooperationsformen geben muss, also nicht nur diese eine Richtung, sondern viele mehr, wenn wir zu einer gemeinsamen europäischen Antwort kommen wollen."

Seehofer nicht bei Integrationsgipfel

Seehofer hätte Merkel leicht informieren können – denn eigentlich wäre für den Mittwoch seine Teilnahme am von Merkel veranstalteten Integrationsgipfel vorgesehen gewesen. Doch Seehofer sagte ab, weil er nicht mit der Autorin Ferda Ataman zusammentreffen wollte. Sie hatte sich kritisch mit dem Begriff Heimat und dem Zusatz "Heimatministerium" für Seehofers Innenressort auseinandergesetzt und geschrieben, dies sei "brandgefährlich". Denn: "In diesem Kontext kann Heimat nur bedeuten, dass es um Blut und Boden geht: Deutschland als Heimat der Menschen, die zuerst hier waren. Und also auch bestimmte Vorrechte haben." Seehofer erklärte daraufhin, es sei unzumutbar, wenn er in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt werde. Im Übrigen habe er Merkel die Absage am Gipfel schon "lange, lange" mitgeteilt.

Doch es wirkte wie eine Provokation, da Merkel und Seehofer ja wieder erbittert streiten. Seehofer will Flüchtlinge, wenn sie bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind, noch an der Grenze zurückschicken, Merkel lehnt dies ab und plädiert für eine "europäische Lösung".

Diese Woche noch wollen die beiden ihren Streit beilegen, aber es ist noch unklar, wie die Lösung aussehen könnte. Merkel ist auch in der Unions-Fraktion unter Druck. Nicht nur die CSU-Bundestagsabgeordneten stehen hinter Seehofers Forderung: Auch aus den Reihen der CDU wurde bei der Fraktionssitzung am Dienstag klar, dass viele Seehofers Kurs begrüßen. So möchte der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster nur noch den EU-Gipfel Ende Juni abwarten, um eine EU-weite Lösung zu finden: "Gelingt das nicht, müssen wir zu einer veränderten Politik an unseren Grenzen kommen."

Merkel hingegen will, dass unter österreichischer EU-Präsidentschaft eine Lösung ausgearbeitet wird. Im Moment, so munkelt man, würde sie eine Kampfabstimmung in der Fraktion verlieren. Eine solche fordert der Abgeordnete Christian von Stetten (CDU), ein Seehofer-Unterstützer: "Bei der Frage, ob wir an der deutschen Grenze einzelne Personengruppen zurückweisen, wird es keinen Kompromiss geben können, da gibt es nur Ja oder Nein."

Einige Zeitungen der Funke-Mediengruppe störte die Wortwahl ("Achse") des Kanzlers. Sie titelten online: "Kurz eckt mit Nazi-Rhetorik an." (Birgit Baumann aus Berlin, 13.6.2018)