Nachdem vergangene Woche eine einstweilige Verfügung des Wiener Handelsgerichts gegen Uber ergangen ist, stand der Fahrtendienstvermittler etwa zwei Tage lang still. Uber setzt auf unlautere Wettbewerbsstrategien, entschied das Gericht. Erstmals nimmt der Chef von Uber Österreich Stellung zu der Causa.

STANDARD: Die einstweilige Verfügung gegen Uber hat große Diskussionen ausgelöst, viel Kritik an Uber ist laut geworden. Einer der zentralen Vorwürfe lautet: Uber spielt nicht nach den Regeln. Wie gehen Sie damit um?

Salom: Ich würde bei der Antwort gerne einen Schritt zurück machen. Uber spielt inzwischen im Alltag vieler, vieler Menschen eine große Rolle. Deshalb ist es für sie einfach, eine Meinung über Uber zu haben.

STANDARD: Vieles von dem, was gesagt wird, ist aber wenig schmeichelhaft.

Salom: Die Sache mit Uber ist, dass wir als sehr kleines Unternehmen angefangen haben. Als ich im August 2014 zu Uber gekommen bin, waren wir gerade 1000 Mitarbeiter. Heute gibt es fast 20.000 Beschäftigte weltweit bei Uber. In Österreich haben wir mit einem Team von gerade einmal drei Personen begonnen. Heute arbeiten in Österreich 20 Mitarbeiter für Uber in vier verschiedenen Büros. In Wien gibt es circa 2000 Fahrer und 200.000 Kunden, die regelmäßig Uber nutzen. Und es gibt immer noch Wachstumspotenzial, in Paris allein gibt es 25.000 Fahrer. 2017 war aber das bisher schwierigste Jahr für uns. Wir sind durch eine schwere Kulturkrise gegangen.

Seit der Gründung von Uber im Jahr 2009 spaltet das Unternehmen die Geister.
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STANDARD: Eine Kulturkrise?

Salom: Es war schwierig für uns, die Kultur eines kleinen Start-ups so weiterzuentwickeln, dass wir den Ansprüchen gerecht werden, die für ein großes Unternehmen gelten. Uber ist ein Unternehmen, das sehr schnell gewachsen ist und zu Recht als aggressiv kritisiert wurde. Wir mussten akzeptieren, dass wir viele Fehler gemacht haben. Nun müssen wir unseren Kurs korrigieren und sicherstellen, dass wir künftig verantwortungsvoller handeln. Das gilt auch für Wien: Hier waren wir ebenfalls zu schnell und haben Fehler gemacht, die wir korrigieren müssen. Wir wollen uns die Zeit nehmen, um uns zu entschuldigen und uns zu verändern. Das ist der Grund, warum wir sofort nach der einstweiligen Verfügung in der vergangenen Woche unsere Aktivitäten eingestellt haben. Wir haben analysiert, was wir anders machen müssen, um den Bedingungen des Gerichts zu entsprechen.

STANDARD: Uber hat laut Gericht Aufträge an seine Fahrer rechtswidrig erteilt: Wurde eine Uber-Fahrt gebucht, ging eine automatisierte E-Mail an die Mietwagenzentralen, die für Uber fahren, und der Fahrer wurde via App informiert. Was ändert sich nun?

Salom: Wir haben sichergestellt, dass sämtliche Fahrtaufträge zunächst in den Mietwagenzentralen aktiv angenommen werden. Von dort werden die Aufträge dann an die Fahrer erteilt. In den Mietwagenzentralen wird dieser Prozess künftig manuell erledigt werden.

STANDARD: Werden Sie nicht langfristig zu einem klassischen Taxivermittler werden müssen, so Sie bestehen wollen?

Salom: Uber ist keine Taxifunkzentrale und kein Taxiunternehmen, sondern eine Technologieplattform. Uber hat aber seit Beginn in vielen Städten, unter anderem auch in Wien, mit Taxiunternehmen zusammengearbeitet, die eine bessere Auslastung für ihre Fahrzeuge erreichen wollten. Deswegen sehen wir uns auch nicht als Konkurrenz zu Taxis, sondern als Ergänzung.

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Protestaktion von Taxifahrern in Wien gegen Uber.
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STANDARD: Wer ist dann die Konkurrenz?

Salom: Unsere Vision ist es, eine Welt zu ermöglichen, in der es nicht mehr notwendig ist, privat einen Pkw zu besitzen. Unser größter Mitbewerber sind daher nicht Taxis, sondern privat genutzte Pkws. Ein Privatfahrzeug ist vielleicht eine oder zwei Stunden am Tag unterwegs und steht die restliche Zeit still. Wenn das Fahrzeug unterwegs ist, werden im Schnitt 1,1 Personen damit befördert. Das ist eine extrem ineffiziente Nutzung. Plattformen wie Uber können eine Rolle darin spielen, dies zu verändern: Anstelle eines Systems, wo jeder auf ein eigenes Auto zurückgreifen muss, schwebt uns eine Welt vor, in der jeder multiple Formen der Mobilität nutzen kann.

STANDARD: Wenn Sie die Regeln in Österreich ändern könnten, was würden Sie tun: die Taxitarife abschaffen? Die Rückkehrpflicht für Mietwagen?

Salom: Die Rückkehrpflicht für Mietwagen ist nicht dafür vorgesehen, eine effiziente Nutzung der Fahrzeuge zu gewährleisten, und ist im Übrigen auch nicht umweltfreundlich, weil unnötige Fahrtwege verlangt werden. Die Taxitarife sehe ich differenziert. Für Taxiunternehmen gelten viele Regeln, dafür profitieren sie von vielen Vorteilen. Wenn man die Taxipreisbindung aufheben würde, müsste man auch alle Vorteile, die damit einhergehen, streichen. Es gibt aber meiner Meinung nach einen Bedarf für Taxis. Es ist nicht möglich, den gesamten Bedarf an Mobilität über digitale Plattformen wie Uber abzudecken. Ich sehe auch einen Bedarf für fixe Taxitarife, die ja auch dem Konsumentenschutz dienen. Nur unregulierte Preise und nur einen unregulierten Markt zu haben wird nicht ausreichen.

Werbeschild von Uber in Wien.
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STANDARD: Viele kritisieren Uber, weil das Unternehmen angeblich nur Hungerlöhne bezahlt. Nur deshalb kann das Unternehmen Fahrten so billig anbieten. Was ist Ihre Antwort darauf?

Salom: Wir müssen unseren Teil der Verantwortung wahrnehmen. Wenn es solche Fälle gibt, müssen wir das prüfen und korrigieren. Es ist auch unsere Verantwortung, die Zusammenarbeit mit den Mietwagenunternehmen so nachhaltig zu gestalten, dass sie ihre Angestellten fair entlohnen können.

STANDARD: Sie sagen, 2000 Fahrer sind für Uber in Wien unterwegs. Wie viel verdienen diese im Schnitt in der Stunde?

Salom: Das ist schwer zu sagen, weil wir mit mehreren hundert Mietwagenpartnern zusammenarbeiten, die verschiedene Modelle haben. Die Fahrer sind an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Zeiten unterwegs. Daher ist es sehr schwierig, einen Durchschnittswert zu ermitteln.

STANDARD: Aber die Uber-App zeigt ja an, was ein Fahrer in der Stunde verdient. Das müssen Sie ja dann wissen.

Salom: Ja, das wissen wir. Weil aber in fast allen Fällen die Mietwagenunternehmen die Fahrer bezahlen und wir nicht im Einzelfall wissen, unter welchen Vereinbarungen die Fahrer bei den Unternehmen angestellt sind, können wir hierzu keine genaueren Angaben machen.

STANDARD: Machen Sie es sich da nicht zu einfach? Sie schalten Mietwagenunternehmen dazwischen, um dann zu sagen, die faire Bezahlung ist deren Sache. Dabei ist es ja Uber, das die Fahrten organisiert.

Salom: Das ist ein guter Punkt. Wir möchten sicherstellen, dass unser Angebot ein nachhaltiges ist. Wir wollen mit allen Mietwagenunternehmen in Österreich in einen Dialog treten, um die Geschäftsmodelle unserer Partner besser zu verstehen. Dadurch können wir Best-Practice-Modelle finden und diese gemeinsam umsetzen. Wenn es dafür Änderungen bei den Preisen geben muss, ist das auch möglich. Aber das wird nicht der erste Schritt sein.

Österreich-Chef Salom: Uber wird langfristig profitabel werden.
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STANDARD: Warum stellen Sie als Uber die Fahrer nicht selbst an?

Salom: Das ist das Geschäftsmodell, welches wir weltweit verfolgt haben. In Frankreich und vielen anderen Ländern sagen die Fahrer in Umfragen, dass der primäre Grund dafür, dass sie mit Uber unterwegs sind, der ist, dass die App ihnen Flexibilität und Unabhängigkeit ermöglicht. Diese Fahrer wollen nicht bei uns angestellt werden. Wichtig ist, dass sie nicht nur die Vorteile der Unabhängigkeit genießen können, sondern auch sozial abgesichert sind.

STANDARD: Der Europäische Gerichtshof hat Ende 2017 entschieden, dass Uber nicht bloß eine digitale Plattform ist, so wie Sie das gesagt haben. Im Gegenteil: Uber bietet Verkehrsdienstleistungen an. Was bedeutet diese Entscheidung für Sie? Werden Sie eine echte Zentrale in Wien eröffnen müssen, wie es die Wirtschaftskammer verlangt?

Salom: Wir haben den Anspruch gehabt, als rein digitale Plattform für Fahrtenvermittlungen wahrgenommen zu werden, für die die traditionellen Vorschriften für Verkehrsbetriebe nicht gelten. Allerdings wurde entschieden, dass das nicht möglich ist. Die Aktivitäten von Uber dürfen laut EuGH in jedem Land individuell als Verkehrsdienstleistungen reguliert werden. Das ist aber ohnehin in fast allen EU-Ländern schon der Fall. Daher ändert sich für uns nichts.

STANDARD: Uber macht jedes Jahr Milliardenverluste. Was ist Ihre Langzeitstrategie? Manche Kritiker sagen, Uber will eine Monopolherrschaft aufbauen und wird dann die Preise anheben.

Salom: Es gibt viele Gründe, warum wir keine Gewinne machen. Wenn Sie Länder mit sehr starkem Wettbewerb im Mobilitätsbereich ansehen, läuft dieser vor allem über Preise ab. Zugleich investieren wir laufend in unsere Produkte und unsere Technik. Wir investieren auch massiv in neue Geschäftsmodelle wie Uber Eats und in das autonome Fahren. Wir machen also nicht mit jeder Fahrt Verluste. Wir sind überzeugt davon, dass es für Uber einen Pfad zur Profitabilität gibt.

STANDARD: Kann ein Start-up wie Uber am europäischen Markt überleben?

Salom: Ja. Einige unserer erfolgreichsten Märkte befinden sich in Europa, in Frankreich zum Beispiel, wo es sehr strikte Regulierungen gibt. In Europa haben sich viele Staaten dafür entschieden, nur professionelle Fahrer zuzulassen. In den USA, in Asien oder im Nahen Osten ist das anders. Das steht nicht in völligem Widerspruch zum Konzept von Uber. Es ist eine Vorgabe, mit der wir arbeiten können. (András Szigetvari, 2.5.2018)

DER STANDARD hat Taxi- und Uber-Fahrer gefragt, wie es ihnen beim aktuellen Streit zwischen Taxianbietern und dem Fahrerdienst geht.
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