Musiktheater, so wie es früher (wahrscheinlich) war: Kulissenmalerei und Kerzenlicht in Joseph Haydns Zweiakter "L'isola disabitata", zu sehen in Baden bei Wien.

Foto: Barbara Pálffy

Baden bei Wien – Die Vergangenheit ist ein Kontinent, der täglich an Raum gewinnt. Bernd R. Bienert forscht seit einigen Jahren auf diesem Territorium, sein Spezialgebiet ist das des historisch informierten Inszenierens. Mit seinem Teatro Barocco bringt er nun im Congress Casino Baden Haydns Azione teatrale L'isola disabitata zur bildermächtigen Aufführung.

Der Zweiakter wurde am Nikolaustag 1779 im Marionettentheater von Schloss Esterházy uraufgeführt. Das Libretto von Pietro Metastasio erzählt von den Schwestern Costanza und Silvia, die seit 13 Jahren als Gestrandete auf einer einsamen Insel leben. Gernando, der Liebhaber der Älteren, findet nach einer Entführung wieder zurück zu seiner Angebeteten, und Kompagnon Enrico bandelt mit Silvia an. Nach Verzweiflung und einem kurzen Erschrecken wird alles gut.

Mit Blick auf ein schäumendes Meer

Was sieht man nun in so einer historisch informierten Inszenierung? Von elektrisch simuliertem Kerzenlicht beleuchtete, mit Baumwerk aller Art bemalte Kulissenteile, die die Perspektive verjüngen und den Blick auf ein schäumendes Meer lenken. Die Inselbewohnerinnen tragen blumig bestickte Textilkunstwerke und pflegen ein gestisches Repertoire, dessen Theatralik an Dragqueens und dessen Anschaulichkeit an Gebärdendolmetscher erinnert. Schön.

Megan Kahts interpretiert die Costanza oft heroinenhaft herb und druckvoll, der Sopran von Misaki Morino (Silvia) bietet Kompaktheit und Glanz. Hyunduk Kim (Gernando) singt höhensicher und hell, Sreten Manojlovic (Enrico) gestaltet die begleiteten Rezitative facettenreich. Und das von Christoph U. Meier vom Hammerklavier geleitete Orchesterchen durchreist Haydns reiche Klanglandschaften mit Tempo und empfindsamer Aufmerksamkeit. So war das also früher, wahrscheinlich. (Stefan Ender, 24.3.2018)