Aistersheim/Graz – Angeblich 600 Teilnehmer, 200 (laut Polizei) bzw. 450 (laut Veranstaltern) Gegendemonstranten, 150 Polizisten und viele Medienvertreter haben am Samstag die oö. 890-Seelen-Gemeinde Aistersheim bevölkert. Grund war der heftig kritisierte rechte Kongress "Verteidiger Europas", an dem auch Politiker von FPÖ und AfD teilnahmen. SPÖ-Landeschefin Birgit Gerstorfer sprach von einer "Schande für OÖ".

Noch bevor die Kongressteilnehmer im Wasserschloss Aistersheim eintrafen, startete die erste Gegendemo mit dem Titel "Politischer Frühschoppen für eine schönere Welt". Laut Polizeisprecher David Furtner waren seit der Früh etwa 30 schwarz vermummte Personen im Ort unterwegs. Vor der Kundgebung des Bündnisses "Linz gegen rechts" am Nachmittag hatten sich etliche Demonstranten Zugang zum Parkplatz gegenüber des Schlosses verschafft und dort Knallkörper gezündet, beschädigt wurde aber nichts, hieß es.

Einheimische und Angereiste

Am Nachmittag nahmen dann laut Polizei 200, laut Veranstaltern 450 Personen an der Kundgebung des Bündnisses teil, das nach eigenen Angaben von mehr als 60 Organisationen unterstützt wird. Etliche von ihnen waren mit Bussen aus Linz und Wien angereist, viele Schaulustige aus dem Ort mischten sich trotz der Kälte dazu. "Wir lassen nicht zu, dass Oberösterreich als Dreh- und Angelpunkt der extremen Rechten in Position gebracht wird", betonten die Bündnis-Sprecher Raffael Schöberl und Nina Andree.

Auf der Bühne sprach unter anderem Willi Mernyi, der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich. Er empfahl den Teilnehmern bzw. den Burschenschaftern in den Bundesministerien: "Wenn ihr so auf schwarz-gold-rot steht, dann geht doch zur AfD." Auch die "Omas gegen rechts" waren zumindest den Schildern nach stark vertreten. Dazu gesellten sich neugierige Einheimische, der Nahversorger am Dorfplatz machte ein gutes Geschäft mit Demonstranten und Schaulustigen. Der Pfarrgemeinderat von Aistersheim lud um 19.00 Uhr zur "Wort Gottes Feier für den Frieden, die Toleranz und die Menschlichkeit" samt Lichtermeer.

Bei der Erstauflage des Kongresses 2016 in den Linzer Redoutensälen war der heutige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) als Redner aufgetreten. Diesmal waren u.a. der Grazer FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio, der sich laut Twitter-Account der "Verteidiger Europas" über die "Vermehrungsrate der Einwanderer", die "jene der autochthonen Bevölkerung um ein Vielfaches übersteigt" Gedanken machte und Andre Poggenburg von der rechtspopulistischen AfD (Alternative für Deutschland) Sachsen-Anhalt, der die EU als "verderbliche Krankheit Europas" bezeichnete, am Pult.

Pegida-Gründer und Identitäre

Ebenfalls in Aistersheim waren offenbar u.a. der mehrfach vorbestrafte Pegida-Gründer Lutz Bachmann und der Österreich-Sprecher der "Identitären Bewegung", Martin Sellner. Unter den Referenten und Teilnehmern sehen Kritiker nicht nur Rechtsextreme sowie Personen mit Bezug zur FPÖ, sondern auch Verschwörungstheoretiker und solche mit Umsturzbestrebungen, die auch unter Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes stünden.

Ein Thema im Inneren des Schlosses waren offenbar auch die sogenannten alternativen Medien. "Wir brauchen die Deutungshoheit über politische Themen. Dann fallen die Lügen der Systemmedien", twitterten die "Verteidiger Europas". Dementsprechend waren klassische Medienvertreter nicht erwünscht, nur die eigenen "Medienpartner" wie – laut Homepage – das vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes als rechtsextrem eingestufte Magazin "Info-Direkt", unzensuriert.at oder die deutsche Plattform "Ein Prozent". "Info-Direkt" tritt auch als Veranstalter auf, die Räumlichkeiten im Wasserschloss hat laut Bündnis "Linz gegen rechts" die Burschenschaft Arminia Czernowitz gemietet.

Auf Twitter berichteten die "Verteidiger Europas" von "Farbbomben und Schüssen" auf den Verlagssitz von Info-Direkt in der Nacht auf Samstag und posteten ein Bild davon. Die Polizei bestätigte eine Sachbeschädigung an dem Bauernhof durch rote und schwarze Farbbeutel. Der Linzer Vizebürgermeister Detlef Wimmer (FPÖ) sah in einer Aussendung eine "besonders verwerfliche Straftat" von "Linksextremen". Die Polizei sprach allerdings von "unbekannten Tätern".

Scharfe Kritik am Treffen kam am Samstag von der Landes-SPÖ. "Das ist eine Schande für Oberösterreich", so Vorsitzende Birgit Gerstorfer in einer Presseaussendung. Vor allem die Anwesenheit von FPÖ-Vertretern zeige, "wie unwillig diese Partei ist, sich glaubhaft von rechtsextremem Gedankengut zu distanzieren". Gleichzeitig kritisierte Gerstorfer Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), dass dieser zum Kongress nur schweige. Er mache sich damit "zum Steigbügelhalter für die rechte Ideologie". Auch die Grüne Landessprecherin Maria Buchmayr hatte im Vorfeld an die politischen Verantwortungsträger, explizit vor allem jene der ÖVP, appelliert: "Seien sie wachsamer. Sehen Sie, was vor sich geht." (APA, 3.3.2018)