Bild nicht mehr verfügbar.

Kritische Blicke von einer Mauer in Madrid: Facebook handelt mit Daten von Nutzern, die kaum informiert sind über die Prozesse im Hintergrund, sagen Experten.

Foto: Picturedesk / dpa / Fabian Stratenschulte

Wien – Jeder, der im Internet unterwegs ist, tut es: sekundenschnell ein Kästchen anklicken und sich damit bereiterklären, die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) und Datenschutzrichtlinien zu akzeptieren. Zu ausführlich, zu unübersichtlich und zu komplex ist das meist in unverständlichem Fachsprech formulierte Kleingedruckte. Das führt unweigerlich zu einem Ausblenden – besonders wenn man ohnehin nicht umhinkommt zu akzeptieren, was man vorgesetzt bekommt, sofern man bestimmte Dienste und soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, Whatsapp, Google und Co nutzen will.

"Ein Klick oder eine Registrierung wird rechtlich als gültige und verbindliche Willenserklärung interpretiert, egal ob der Vertrag gelesen oder verstanden wurde", sagt Robert Rothmann, Rechtssoziologe am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien. Doch wie viel wissen Facebook-User überhaupt über Vertragsbedingungen, in die sie per Klick einwilligen? Wie stehen sie zu dem, was Facebook mit den Daten macht?

Wenig Ahnung von Datensammlung

Diese Fragen untersuchte Robert Rothmann in einer österreichweiten repräsentativen Onlinestudie, die dem STANDARD vorliegt. Laut Datenschutzrecht ist es für die Verarbeitung personenbezogener Daten notwendig, dass die Betroffenen "freiwillig, für den bestimmten Fall" und "in informierter Weise" einwilligen. Die Ergebnisse zeigten: Nur 37 Prozent der rund 1000 befragten Facebook-User wussten, dass sie dem Unternehmen ihr Einverständnis dazu gegeben haben, ihre Daten zu sammeln und zu verwenden. 43 Prozent gaben an, das nicht zu wissen. Und 20 Prozent waren überhaupt der Meinung, nicht dazu eingewilligt zu haben– was im Fall eines aktiven Accounts unmöglich ist.

Foto: Uni Wien/DER STANDARD

Rechte wissen mehr als Linke

Details am Rande: Männer und jüngere Befragte wussten eher Bescheid als Frauen und Ältere. "Gerade minderjährige Teenager, deren Mündigkeit immer wieder in Diskussion gestellt wird, wissen mehr über Datenverarbeitung als die ältere Generation", berichtet Rothmann. Zudem zeigte sich ein leichter, aber statistisch signifikanter Zusammenhang mit politischer Einstellung: "Rechtsgerichtete Personen legten mehr Wert auf Privatsphäre im Internet und wussten auch eher, worin sie eingewilligt haben, als Personen, die sich als links bezeichneten."

In der Folge wurden den Nutzern sieben datenschutzrechtlich relevante Klauseln aus den AGBs von Facebook vorgelegt, darunter die Einwilligung, dass Name und Profilbild kostenlos für Werbe- und kommerzielle Zwecke genutzt werden können, oder die Einwilligung, dass Daten zur weiteren Verarbeitung in die USA weitergeleitet oder auch an Dritte weitergegeben werden dürfen, um illegale Aktivitäten zu verfolgen oder zu verhindern. "Jeder einzelne Facebook-User hat zugestimmt, dass seine Daten an Behörden wie die NSA übermittelt werden", sagt Rothmann.

Keine informierte Einwilligung

Konfrontiert mit den Klauseln, erwiesen sich die User als kaum informiert: Bei fünf der sieben Klauseln war rund 90 Prozent der Befragten nicht klar, dass sie darin eingewilligt hatten. Insgesamt wusste nur ein Prozent über alle Klauseln Bescheid. Gefragt danach, ob sie in diese Bestimmungen einwilligen würden, wenn sie die Wahl hätten, reagierten im Schnitt 75 Prozent ablehnend. Lediglich drei Prozent würden sämtliche Klauseln unterschreiben.

"Die Daten belegen, dass für den durchschnittlichen Verbraucher im Fall von Facebook empirisch gesehen keine informierte Einwilligung vorliegt", sagt der Soziologe. "Die datenschutzrechtliche Einwilligung erweist sich in der Realität somit als Fiktion." Vielmehr würden im digitalen Massengeschäft über eine mangelhafte Einwilligung in AGBs sämtliche Datenverarbeitungsprozesse pauschal legitimiert. Für transnationale IT-Konzerne fungieren diese Konstrukte als Einfallstor für die Kommerzialisierung der Privatsphäre, so Rothmann.

Katz-und-Maus-Spiel

Zwar könnten Verbraucher jegliche Klauseln anfechten – aber eben immer erst dann, wenn sie längst in Gebrauch sind. Das passiert auch immer öfter: Erst vergangene Woche hat das Landgericht Berlin festgestellt, dass Facebook mit einigen Klauseln in den Nutzungsbedingungen gegen deutsches Recht verstößt.

Gekippt wurden unter anderem Klauseln, die auch in der Studie abgefragt wurden, nämlich jene zur kommerziellen Nutzung der Daten, jene zur Weiterleitung der Daten in die USA und jene zur Klarnamenpflicht. Die Richter stellten klar, dass mit solchen vorformulierten Erklärungen keine wirksame Zustimmung zur Datennutzung erteilt werden könne. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

"Leider folgt auf solche Urteile meist ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Klauseln werden leicht abgeändert und dann weiterhin verwendet", sagt Benedikt Buchner, Professor für Bürgerliches Recht und Datenschutzexperte von der Universität Bremen, wo auch Robert Rothmann derzeit forscht. "Derzeit wird argumentiert, dass der mündige User eben besser aufpassen muss. Aber warum sollte nicht Facebook besser aufpassen?", sagt Buchner. Er hofft, dass die neue Datenschutzgrundverordnung, die ab kommendem Mai in der EU gilt, dazu führt, dass das Datenschutzrecht künftig strenger durchgesetzt werde und mehr Klarheit und Transparenz einkehrt.

Kontrollverlust

Dazu gehöre auch, die Werbeaussage "Facebook ist kostenlos" zu verbieten. "Facebook betreibt Datenhandel, und das sollte so ausgewiesen werden", sagt Buchner. Dass die User so eindeutig uninformiert sind über die Bedingungen, in die sie einwilligen, wie die Studie zeigt, habe ihn überrascht, sagt der Rechtswissenschafter. "Juristen müssen ja oft im luftleeren Raum argumentieren, jetzt gibt es belegbare Fakten."

Wie undurchsichtig Facebook für seine Nutzer ist, zeigten weitere Ergebnisse der Studie: Rund 80 Prozent waren der Meinung, keine Kontrolle darüber zu haben, was der Dienst mit ihren Daten macht. Dabei hatten gerade jene Personen, die die AGBs gelesen hatten, eher das Gefühl des Kontrollverlusts. Die Überforderung und Resignation, die teilweise in Wut umschlug, äußerte sich auch bei einer qualitativen Tiefenanalyse.

"Es gab Teilnehmer, die sich für die Studie bedankten, weil ihnen die Augen geöffnet wurden", berichtet Rothmann. "Das ist sehr ungewöhnlich für einen Online-Survey. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die User wohl nichts gegen eine datenschutzfreundliche Technologiegestaltung hätten." (Karin Krichmayr, 21.2.2018)