Christoph Leitl, der auch im Präsidentensessel der Europäischen Wirtschaftskammern (Eurochambres) sitzt, rät heimischen Betrieben, die in Großbritannien wirtschaften, vorsichtig zu sein und sich auf mögliche Szenarien vorzubereiten.

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London/Wien – Ende März 2017 beantragte die britische Regierung offiziell den Austritt aus der Europäischen Union, der im März 2019 vollzogen werden soll. De facto wird das Vereinigte Königreich aber wahrscheinlich erst 2021 nach einer Übergangsphase aus der EU austreten. Bis dahin ist das Feilschen um den Brexit in vollem Gange – wie das Pokerspiel ausgeht, ist noch völlig unklar.

Im Worst Case gibt es einen harten Brexit, indem die Verhandlungen scheitern und statt eines Freihandelsabkommens eine Rückkehr zu Regeln und Zöllen der Welthandelsorganisation WTO stattfindet. "Das wäre für Österreich zwar ein bitterer Verlust, aber kein Desaster", sagt Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Für Österreich gehöre das Vereinigte Königreich zu den Top-zehn-Handelspartnern: Insgesamt 250 heimische Betriebe sind dort mit 37.000 Mitarbeitern vertreten, darunter Novomatic, Wienerberger oder Zumtobel. Österreichische Unternehmer sollten sich auf die verschiedenen Szenarien des Brexits vorbereiten und "vorsichtig sein".

Firmen sollten bestehende Verträge kontrollieren und, falls erforderlich, nachverhandeln, so der österreichische Wirtschaftsdelegierte in London, Christian Kesberg. Beispielsweise könnte es sinnvoll sein, eine kurze Phase nach dem Austritt zu vereinbaren, in der jede Partei den Vertrag kündigen kann, falls die Auswirkungen des Brexits einen deutlichen kommerziellen Effekt haben. Ebenfalls könnten Verträge geschlossen werden, die kurz nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs auslaufen. In längerfristigen Kontrakten sollten mittels Klauseln flexible Preisanpassungen ermöglicht und Mehrkosten, die der Brexit allenfalls verursacht, zwischen den Parteien aufgeteilt werden. Vor allem bei einem harten Brexit käme es durch die WTO-Regeln zu durchschnittlichen Zöllen von drei bis fünf Prozent. Aber auch im Falle eines Freihandelsabkommens ist für jede Ausfuhr eine Zollanmeldung notwendig, die ebenfalls zu Mehrkosten führt.

Änderungen bei Normen

Zu einem Stolperstein könnten auch Normen und Zertifizierungen werden: Produkte, die mit der CE-Kennzeichnung von einer britischen Stelle zertifiziert sind, könnten ihre Gültigkeit verlieren. Diese Zertifizierungen müssten dann bei einem anderen Institut beantragt werden, was laut Kesberg einige Wochen in Anspruch nimmt. Größtes wirtschaftliches Risiko entstehe im Wechselkurs des Pfund zum Euro. Bestimmte Klauseln und Kündigungsrechte könnten das Risiko minimieren, allerdings seien Vertragsklauseln, die eine Neuverhandlung in gutem Glauben vorsehen, nach englischem Recht nur schwer durchsetzbar. Jene Unternehmen, die hierzulande unter dem britischen Rechtskonstrukt British Limited tätig sind, sollten schon jetzt mit den Vorbereitungen beginnen, so Kesberg. "Diese würde zum Zeitpunkt des Austritts wahrscheinlich in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts verwandelt, in der alle haften."

Insgesamt seien heimische Firmen als Nischenplayer relativ gut abgesichert, meint Kesberg. Mit richtiger Vorbereitung "lassen sich auch unter WTO-Regeln Spiele gewinnen".(jp, 13.2.2018)