Mit Marin Alsop wird erstmals eine Frau Chefdirigentin des RSO Wien.

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Als Marin Alsop sehr jung war, zierte ein Beatles-Bild ihr Zimmer. Unweit der Pilzköpfe hing allerdings auch ein Poster von Leonard Bernstein – und es war "größer als jenes der Beatles", so die US-Dirigentin. "Lenny", dieser Dirigiervulkan an musikalischer und menschlicher Empathie, war es ja, der sie dazu bewogen hatte, in ein Berufsfeld eintreten zu wollen, das damals – Alsop war neun – nur Männer dominierten.

Bei den Erziehungsberechtigten gab es keine Vorbehalte: Die Eltern waren Berufsmusiker, sie selbst begann mit drei Jahren Klavier zu spielen, später kam die Geige dazu. Bis zur echten Dirigierkarriere sollte allerdings noch eine Weile vergehen: Alsop studierte an der Juilliard School, auch gründete sie ein eigenes Orchester, um Erfahrung zu sammeln. Jahrelang hat sie zudem die Streich-Swing-Band String Fever geleitet. Und: Bernstein kennenzulernen war auch nicht einfach. Erst beim vierten Anlauf wurde Alsop in Tanglewood aufgenommen, wo sich der originelle Kunstvermittler u. a. um den Nachwuchs kümmerte.

"Wenn mir die Tür zugeschlagen wird, nehme ich die Hintertür."

"Um mit ihm zu arbeiten, wäre ich auch zum Mond gefahren", sagt die New Yorkerin, die Bernstein animierte, keinesfalls zu imitieren. Sie müsse sie selbst sein, mahnte Bernstein, der zu ihrem Mentor wurde. 1989 war Alsop in dieser Disziplin wohl schon recht weit: Sie gewann den Stokowski-Wettbewerb. So richtig in die Schlagzeilen kam sie aber, als sie 2007 das Baltimore Symphony Orchestra übernahm.

Sie war damit die erste Frau, die zur Chefin eines großen US-Orchesters ernannt wurde. Zugleich protestierten die Musiker gegen ihre Berufung – Alsop nennt diese Erfahrung entsetzlich. Es gelang ihr jedoch, das Orchester von sich zu überzeugen. Wenn sie 2019 das RSO-Wien übernimmt, wird sie ja bis 2021 auch noch in Baltimore tätig sein.

Aus alledem wird verständlich, dass sie Beharrlichkeit für sehr wichtig hält. "Wenn mir die Tür vor der Nase zugeschlagen wird, nehme ich die Hintertür", sagt die Mutter eines Sohnes, die im klassisch-romantischen Repertoire ebenso verankert ist wie im Bereich der Moderne. Dirigieren definiert sie schließlich als Versuch, "100 Experten von dem zu überzeugen, was man musikalisch will". Das dürfte beim RSO jedoch nicht schwer werden. Man kennt einander von früher.

Und dem Vernehmen nach waren es die Musikerinnen und Musiker selbst, die den Anstoß gaben, mit Alsop in Kontakt zu treten. Und dies habe Alsop "sehr berührt." (Ljubiša Tošić, 30.1.2018)