Alexander Pollak demonstriert regelmäßig für Menschenrechte – zumeist allein. Zur Gründung des Vereins SOS Mitmensch vor 25 Jahren gingen hunderttausende auf die Straße.

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Wien – Er ist der Mann mit dem leeren Blick und der markigen Botschaft, er ist der Mann mit dem Taferl. Während der schwarz-blauen Koalitionsgespräche erwartete er die Verhandler vor dem Palais Epstein. Als Alexander Van der Bellen die neue Regierung zu sich lud, stand er mit Schild vor der Hofburg. Manchmal findet man ihn auf FPÖ-Veranstaltungen. Es gibt keinen Minister der vergangenen Jahre, der nicht an ihm und einem bedruckten Stück Karton, das er hochhält, vorbeimusste: Alexander Pollak, Sprecher der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch – für die Rechten das Gesicht des naiven Gutmenschentums, für die Linken die One-Man-Show gegen rechts.

Der vor 25 Jahren gegründete Verein SOS Mitmensch hat damals die größte Kundgebung der Zweiten Republik organisiert. Nun wurde im Wiener Burgtheater das Bestehen gefeiert.
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Feuer gefangen habe er vor 25 Jahren. Als Jugendlicher nahm er am Lichtermeer gegen das sogenannte Anti-Ausländer-Volksbegehren der FPÖ teil, erzählt Pollak. Er sei in der Masse mit zehntausenden Menschen vom Ring Richtung Heldenplatz gezogen, Lieder wurden gesungen, der Zusammenhalt beschworen. "Der Fremdenhass der FPÖ hat mich wahnsinnig aufgeregt. Dass ich damit nicht allein war, war sehr bewegend", erzählt er heute.

Resetarits und Pilz trafen sich bei Heller

In diese Zeit fällt auch die Geburtsstunde von SOS Mitmensch. Im November 1992 trafen sich Caritas-Direktor Helmut Schüller, Willi Resetarits, der Schriftsteller Josef Haslinger, Peter Pilz, SPÖ-Minister Rudolf Scholten und andere im Haus von André Heller, um einen Plan zu schmieden – sie wollten den Freiheitlichen etwas entgegensetzen. Zuerst organisierte die Truppe am 23. Jänner 1993 das Lichtermeer, eine Demonstration, an der neben dem jungen Pollak annähernd 300.000 Menschen teilnahmen. Dann wurde daraus eine breite Bewegung, ein Verein für Gleichberechtigung und Chancengleichheit, dem sich Leute und Gruppen aus der Gewerkschaft, der Kirche, der Politik – und viele Prominente aus Kunst und Kultur – anschlossen.

Pollak, heute 44 Jahre alt, hätte damals wohl nie gedacht, dass er irgendwann Sprecher dieser Initiative wird. Der gebürtige Wiener hat nach der Schule Wirtschaft und Sprachwissenschaften studiert, war zuerst an der Uni und dann in der Grundrechteagentur der Europäischen Union tätig. Irgendwann sei ihm das aber nicht mehr genug gewesen, sagt Pollak. Er wollte "mehr Aktivismus", einen "Hands-on-Job". 2010 wurde er Sprecher von SOS Mitmensch. Das hat auch die Organisation verändert.

"Keine Prominente mehr"

"SOS Mitmensch hat sich in seiner Methodik verschoben", sagt der Grünen-Politiker Niki Kunrath, Gründungsmitglied des Vereins. "Es gibt nicht mehr die breite Personenpalette und vor allem keine Prominente mehr. Es geht mehr um Inhalt, den Alexander und sein Taferl." Kunrath gibt zu, dass der Anblick des einsamen Pollak mit Schild manchmal "etwas skurril" wirke, aber schlecht finde er die Idee nicht: "Er konfrontiert Politiker direkt mit den Auswirkungen ihres Handelns."

Zumindest in sozialen Netzwerken hat Pollak mit den Fotos von sich und seinen Taferln eine recht beachtliche Reichweite. Auf Facebook gefällt SOS Mitmensch fast 30.000 Personen, einige der Postings erreichten mehr als eine halbe Million Menschen. "Das mit den Schildern ist eigentlich spontan entstanden", sagt Pollak. Die "Initialzündung" sei für ihn gewesen, als FPÖ-Funktionäre 2015 vor dem Quartier in Erdberg Flüchtlinge mit "Nein zum Asylantenheim"-Schildern empfingen. Er stellte sich damals mit einem "Asylsuchende willkommen"-Taferl dazu. "Seither mache ich das."

Feindbild der Freiheitlichen

Über die Jahre wurde Pollak zum Feindbild der Freiheitlichen und der Rechten. Auf der FPÖ-nahen Onlineplattform unzensuriert.at erscheinen regelmäßig hämische Beiträge über ihn. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) rief ihm kürzlich im Vorbeigehen zu, ob er denn schon wieder "Freigang" habe. Gegen zwei blaue Spitzenpolitiker hat er bereits prozessiert. "Seine Auftritte erinnern an einen Zeugen Jehovas, der traurig am Straßenrand steht und etwas hochhält, das keinen interessiert", sagt Martin Glier, Sprecher von Vizekanzler Heinz-Christian Strache.

Am Sonntag feierte SOS Mitmensch eine Matinee anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums des Lichtermeers. "Wär gut, wenn die Prominenten dort dann auch danach für den Verein ihr Gesicht hergeben würden", sagt Kunrath. "Einer allein kann schon etwas bewirken, aber es ist ein anderes Bild, wenn tausende auf die Straße gehen." (Katharina Mittelstaedt, 22.1.2018)