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Die Fünfzigerjahre: muffig, spießig, konservativ. Unter dem Wiederaufbau-Mythos starke Nazi-Rückstände. Dann kam Toni Sailer: ein junger, gutaussehender, strahlender Sportler, ein fast müheloser Siegertyp (Gold in allen drei Disziplinen! Abstände von fünf, sechs Sekunden auf den Zweiten!). Mit "Tonai" Sailer waren wir wieder wer.

Das ist ein Grund für die Reaktion so vieler berühmter Skisportler und der üblichen politischen Populisten von Schranz bis Strache auf die Enthüllungen über Toni Sailers dunkle Seite. "Pietätlos" ist es, was den meisten dazu einfällt. Sie wissen tief drinnen, dass es da etwas zutiefst Verstörendes gegeben hat, das vertuscht wurde. Aber sie wollen es nicht wissen.

Sie wollen Sailer nicht als gefallenes Idol sehen. Er führte nach seinen Sporttriumphen ein eher missglücktes Celebrity-Leben zwischen Filmchen, einer Theaterrolle im "Tod eines Handlungsreisenden" (!) und seiner Tätigkeit als Sportfunktionär. Dann der Fall von sexualisierter Gewalt in Polen. Die Sache wurde "bereinigt". Warum wird sie wieder aufgenommen?

Weil sie zur dunklen Seite des Spitzensports mit Sex, Missbrauch und Gewalt gehört, die gerade aufgearbeitet wird. Dieselben, die den Fall Sailer verdrängen wollen, bagatellisieren auch die Missbrauchsfälle im Skiteam und in den Sportschulinternaten. Denn Österreich ist mehrfacher Goldmedaillengewinner in der olympischen Disziplin "Verdrängung". (Hans Rauscher, 19.1.2018)