Sebastian Kurz auf Berlin-Besuch bei Angela Merkel.

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Eine nationale Katastrophe zeichnet sich ab, wenn man den Seitenblicken glaubt, die "Österreich" um sich wirft: Viele Politiker pfeifen heuer auf den Opernball. Denn sogar ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, der doch an seinen Taten gemessen werden will, überlegt noch, ob er erstmals kommen soll. Und das nicht leichtfertig aus nationaler Pflichtvergessenheit, sondern wegen seiner märchenhaften sozialen Sensibilität: Er will keine Fotos von sich sehen, auf denen er Champagner trinkend in der Loge sitzt, während die Regierung die Notstandshilfe streicht.

Dieser Peinlichkeit abzuhelfen und dennoch der Kanzlerpflicht zu genügen, gäbe es mehrere Möglichkeiten: Keine Fotos zulassen, keinen Champagner trinken, die Notstandshilfe nicht streichen und/oder die Vermögens- und Erbschaftssteuer einführen.

Blaue Grenzen des Patriotismus

Ob er sich bei letzterer Variante am Opernball zeigen könnte, käme auf einen Versuch an, zu dem es leider nie kommen wird. Aber es gibt Hoffnung. Nur wenn er einen tollen Staatsgast an Land zieht, also gewissermaßen in direkte Konkurrenz zu Richard Lugner tritt, würde er es sich anders überlegen und wohl in Begleitung seiner Freundin Susanne Thier erscheinen. Die Anlandziehung eines tollen Staatsgastes könnte sich durch den Umstand erleichtern, auch die FPÖ pfeift – bis auf die parteifreie Außenministerin Karin Kneissl – geschlossen auf den Ball der Bälle. Sogar für die Blauen gibt es Grenzen des Patriotismus.

Dabei ist Kurz dank der Konkurrenz "Kronen Zeitung" auf den Opernball gar nicht angewiesen. Wo immer er sonst auftritt, erregt er die Massen zumindest der "Krone"-Schreiber, wie etwa diese Woche. Berlin liegt unserem Kanzler zu Füßen – Kurz-Festspiele in Deutschland. Der Wahrheitsanspruch des außenpolitischen Redakteurs deckt sich dabei weitgehend mit dem von Donald Trump: Deutsche holen Kanzler, damit er sie von der politischen Depression befreien soll.

Speichelleckerische Huldigung

Ein Kompliment, das sich in der speichelleckerischen Huldigung des Blattes als zweischneidig herausstellen könnte. Was wenn die Deutschen politisch depressiv bleiben? Sollte dort aber demnächst doch eine Regierung zustande kommen, kann man immer noch sagen, das hätten die depressiven Deutschen nur Kurz zu verdanken. In aller Bescheidenheit: An seinem Wesen soll nicht nur Ösi-, sondern in einem Aufwaschen auch gleich Deutschland genesen.

Angesichts eines solchen Charismas blieb für den Sekundärdarling des Blattes nur ein bescheidener, aber charakteristischer Auftritt reserviert. Er entging beim Verlassen der Pressekonferenz nach dem Ministerrat nur knapp einem kleinen Unfall mit der Europa-Fahne. Der hinter den Rednerpulten aufgestellte Mast mit der EU-Fahne fiel dem FPÖ-Chef fast auf den Kopf.

Nichts kriegt er richtig hin

Es ist so typisch: Wieder einmal nur fast - nichts kriegt er richtig hin. Diesmal möglicherweise, aber nicht sicher ein Glücksfall. Dem fast beschädigten Kopf entfuhr nach Aufrichtung der Fahne ein Geistesblitz, der seine Anhänger ins ideologische Mark treffen könnte. Strache reagierte schlagfertig und erkannte darin einen symbolischen Vorgang: "Ich habe heute die EU gerettet und aufgefangen." Zum Trost: Es war ja nur für heute.

Das freiheitliche Magazin "Zur Zeit" hat Mühe, in der Bejubelung der Koalition mit der "Krone" Gleichschritt zu halten, aber man lässt nichts unversucht. Sebastian Kurz wird als Jung, mit viel Erfahrung durchschaut, aber doch im Vergleich zu Strache leicht abgewertet, der als Mann für die Zukunft gefeiert wird. Warum, geht aus der Vergangenheit nicht hervor. Ein Kolumnist hat das Gefühl, die Koalitionsparteien beflügeln sich wechselseitig, während der Herausgeber mit Bert Brecht auf die Mühen der Ebene verweist.

In dieser schweren Zeit verliert das Blatt mit praktischen Ratschlägen aber auch die Frauen nicht aus dem Blick. Der Laufmaschentrick und was man dagegen tun kann, eröffnet die Rubrik Gesellschaft. Viele Frauen kennen das: gerade möchte man in der Früh aus dem Haus gehen, und plötzlich sieht man eine Laufmasche in der Strumpfhose. Ärgerlich ist das allemal, wenn die empfindlichen Teile sofort ein Loch haben. Allemal. Aber das muss nicht sein, denn dank eines genialen Tricks kann die Lebensdauer der Strümpfe ganz einfach verlängert werden. Am besten legt man die neue Strumpfhose vor dem ersten Tragen eine Nacht in das Gefrierfach. Dabei das Nylon vorher ein bisschen anfeuchten und in einen Plastikbeutel geben.

Das deutsche Mädel wird die Besorgnis aus Burschenschafterkreisen zu schätzen wissen. (Günter Traxler, 21.1.2018)