Der US-Amerikaner Jared Goldberg im zweiten Training für die Abfahrt von Kitzbühel "am Limit".

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Kitzbühel – Die Streif erhitzte dieser Tage wieder einmal die Gemüter. Nach der scharfen Kritik einiger Athleten nach dem ersten Abfahrtstraining am Dienstag in Kitzbühel waren Fis und Veranstalter um Beruhigung bemüht. "Es ist kein Drama", sagte Rennleiter Axel Naglich, der die Aufregung nicht nachvollziehen konnte. Vor allem Beat Feuz und Hannes Reichelt kritisierten, dass die Sprünge in die Mausefalle und bei der Alten Schneise zu weit gegangen seien, außerdem sei der Luftstand zu hoch und daher die Belastung bei der Landung zu extrem gewesen. Christof Innerhofer und Max Franz bemängelten die schlechte Sicht und die unruhigen Pistenbedingungen, die nach der Besichtigung nicht erwartbar waren. Die Streif polarisiert.

Messungen ergaben, dass die Sprünge wesentlich weniger weit gingen als in manchen Jahren davor. So sprang Feuz bei der ersten Beschnupperungsfahrt in der Mausefalle nur 36 Meter weit, in der Vergangenheit wurden schon Flüge um die 70 Meter registriert. Der hohe Luftstand bereitete auch den Renndirektoren Markus Waldner und Hannes Trinkl Sorgen.

Die überraschend hohen Geschwindigkeiten machten den Kalkulationen der Pistenchefs einen Strich durch die Rechnung, aufgrund des engen Zeitfensters konnten die Sprünge nicht prompt in gewünschtem Maße entschärft werden, man stand wegen schlechter Wetteraussichten unter Zeitdruck. Für Waldner waren die Probleme nicht vorhersehbar: "Die Profile bei den Sprüngen waren dieselben wie im letzten Jahr, es war aber unerwartet schnell." Um die Bedingungen besser einschätzen zu können, möchte man künftig professionelle Vorfahrer einsetzen, um genauere Aufschlüsse über die Verhältnisse zu erhalten. Aktuell müsse man sich noch mit "Alibitests" begnügen. "Die Vorläufer kommen mit rund zehn km/h weniger Geschwindigkeit daher", sagte Waldner. Bereits bei Olympia in Pyeongchang gibt der 2015 zurückgetretene Schweizer Didier Defago den Testpiloten. Die Idee ist nicht neu, scheiterte aber bisher an der Finanzierung. Problematisch sei auch, dass aufgrund der äußeren Bedingungen oftmals nicht genug Zeit bleibe, die Strecken ideal in Schuss zu bringen.

Eigenverantwortung

Eine andere Baustelle ist die Gestaltung der Rennpisten im Allgemeinen. Waldner: "Die Kernfrage im Abfahrtssport ist: Wollen wir Autobahnen bauen, sodass man von oben bis unten in der Hocke durchfahren kann, oder wollen wir die Strecken so gestalten, dass man auch strategisch klug fahren und manchmal dosieren muss?" Reichelt oder Steven Nyman seien der Meinung, dass man vom Start bis ins Ziel immer Vollgas fahren müsse, während etwa Dominik Paris die Eigenverantwortung ins Spiel bringe.

Für die Fis ist es außerdem ein Anliegen, das Starterfeld zu reduzieren, um die Belastung der Piste zu reduzieren. Waren in Gröden 97 Abfahrer am Start und in Wengen 96, so meldeten sich für Kitzbühel heuer 76 an. "Die Olympiasaison lockt viele an", sagt der Fis-Renndirektor. Matthias Mayer und Romed Baumann bemängelten, dass man bei dem dichten Gedränge bei der Besichtigung kaum mehr die Ideallinie in den Schlüsselstellen studieren könne. Waldner: "Politisch wird eine Starterfeldreduzierung leider nicht von allen Seiten unterstützt, viele wollen einen Weltcup für alle, wir aber sind der Meinung, dass nur die Besten mitfahren sollten."

Nicht nur die Besten des Abfahrtssports hatten am Donnerstag bei der Generalprobe für die klassische Abfahrt noch eine Gelegenheit die Streif zu testen, wegen eher matschiger Bedingungen im unteren Abschnitt allerdings nur bis zum Oberhausberg. Die kritischen Stellen wurden entschärft, der Neuschnee hatte auch einen besänftigenden Beitrag geleistet. Schnellster war der Italiener Matteo Marsaglia mit Startnummer 54. Vincent Kriechmayr wurde Dritter: "Ich bin zufrieden, weil mir der obere Teil geglückt ist. Ich war sehr am Limit. Aber ich weiß, dass die Konkurrenz noch geblufft hat." Noch vor der Abfahrt am Samstag steigt am Freitag um 13 Uhr der Super-G. (Thomas Hirner aus Kitzbühel, 18.1.2018)

Das Abschlusstraining am Donnerstag fand auf verkürzter Strecke statt.
ORF