Allein bis Ende Oktober zählten die Gerichte 93 Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz, wie aus einer Anfragebeantwortung des Justizministeriums an die SPÖ hervorgeht.

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Kriminalstatistiken sind ein beliebtes Handwerkszeug politischer Akteure, sie lassen sich leicht für unterschiedlichste politische Position instrumentalisieren. Umso mehr, wenn es sich um ein politisches Delikt handelt, wie es das Verbotsgesetz ist: Das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung stellt das Gutheißen und Verbreiten jener verbrecherischen Ideologie, die Millionen Menschen das Leben gekostet hat, unter Strafe. Auch das öffentliche Leugnen dieser Verbrechen kann Freiheitsstrafen zur Folge haben.

Verurteilungsrekord 2017

Seit Mitte der 2000er-Jahre kam es zu einem steilen Anstieg der Anzeigen nach dem Verbotsgesetz. Lag die Zahl der Anzeigen davor stets unter 300 pro Jahr, stieg sie von 2006 bis 2010 stetig auf über 500 und erreichte im Jahr 2015 einen Rekordwert von 963. Auch die Zahl der Verurteilungen ist zuletzt stark gestiegen: von 51 im Jahr 2014 auf 82 im Jahr 2016. Im Jahr 2017 zeichnet sich ein neuer Rekord bei der Zahl der Verurteilungen ab: Allein bis Ende Oktober zählten die Gerichte 93 Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz, wie aus einer Anfragebeantwortung des Justizministeriums an die SPÖ hervorgeht.

Was zu dem Anstieg der Anzeigen seit Mitte der 2000er-Jahre geführt hat, sei nicht geklärt, sagt die Juristin und Kriminologin Angelika Adensamer. Eine häufig angeführte Erklärung für den Anstieg der Anzeigen – und in der Folge auch der Verurteilungen – liegt in der Senkung der Mindeststrafe mit der Verbotsgesetz-Novelle 1992. Die einst hohen Mindeststrafen hätten Gerichte vor Verurteilungen zurückschrecken lassen, und die höhere Anzahl an Verurteilungen habe wiederum dazu geführt, dass häufiger angezeigt wurde. So weit die Begründung. Empirische Daten gebe es für dieses Erklärungsmuster aber nicht, sagt Adensamer. Dennoch verweisen Befürworter einer neuerlichen Senkung der Strafhöhen regelmäßig auf den Anstieg der Verurteilungen.

Innenministerium und Polizei wiederum würden die Statistiken vor allem als gutes Zeugnis für die eigene Arbeit interpretieren, sagt Adensamer. Und zwar völlig unabhängig davon, ob die Zahl der Anzeigen steige oder sinke. Ein Rückgang der Anzeigen werde damit begründet, dass die gute Arbeit der Strafverfolger nun Wirkung zeige und die Täter nun vorsichtiger agierten oder von Straftaten absähen. Ein Anstieg der Anzeigen werde regelmäßig als Zeichen der besseren Schulung und höheren Sensibilität der Beamten interpretiert. Es fehlt an empirischer Forschung, um verlässliche Aussagen anhand der Statistiken treffen zu können.

Wenig Wissen über Gesetz

Die Verurteilungsrate ist bei NS-Wiederbetätigung jedenfalls gering, sie liegt bei fünf bis acht Prozent. Eine Erklärung könnte in der Qualität der Anzeigen liegen, sagt Adensamer. In der Bevölkerung sei teils zu wenig bekannt, dass das Verbotsgesetz nicht Rechtsextremismus unter Strafe stellt, sondern nur das Verherrlichen des Nationalsozialismus. Rechtsextremismus an sich ist in Österreich kein strafbares Delikt – sehr wohl aber Verhetzung oder andere Formen von Gewalt, die von den Gerichten strenger zu bestrafen sind, wenn ihnen ein rassistisches Motiv zugrunde liegt.

Zudem ist den wenigsten bekannt, dass Wiederbetätigung auch nach dem Verwaltungsstrafrecht angezeigt werden kann. So verbietet das Abzeichengesetz das Zurschaustellen von Symbolen verbotener Organisationen – etwa des Hakenkreuzes. Das sogenannte EGVG (Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen) stellt ebenfalls Wiederbetätigung unter Strafe. Verhängt werden Geldstrafen, die Tat landet nicht vor einem Gericht, sondern wird von einer Verwaltungsbehörde geahndet.

Ein Rückgang bei den Anzeigen nach dem Verbotsgesetz lässt jedenfalls nicht unbedingt darauf schließen, dass die Szene weniger aktiv ist. Möglich ist auch, dass im Vorjahr eine besonders hohe Anzahl von Taten auf einen Täter gefallen ist – und dass es im aktuellen Jahr zwar weniger angezeigte Taten, aber mehr Tatverdächtige gibt. (Maria Sterkl, 16.1.2018)