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Freundschaftlicher Empfang im Pariser Elysée-Palast: Kanzler Kurz (links) bei Präsident Macron.

Foto: Reuters/BENOIT TESSIER

Für Sebastian Kurz war die Pariser Visite vom Freitag ein Erfolg, noch bevor sie begonnen hatte: Mit dem Empfang im Elysée-Palast erhielt der Kanzler das "europäische Gütesiegel" – so der Radiosender Franceinter – für seine türkis-blaue Regierung. Von EU-Sanktionen gegen Österreich wie zu Haider-Zeiten ist heute nicht mehr die Rede. Gastgeber Emmanuel Macron dankte dem "lieben Sebastian" sogar, dass er ihn in Paris mit seinem ersten bilateralen Besuch in der EU beehrt habe.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekräftigte seine Ablehnung rechtspopulistischer Parteien.
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Ohne Umschweife nannte er Kurz' Koalitionspartner FPÖ zwar eine "rechtsextreme" Kraft, die er in seinem eigenen Land bekämpfe – aber er fügte an, er habe die Zusammensetzung der österreichischen Regierung nicht zu kommentieren. Der ÖVP-Chef habe jedoch "eine europäische Ambition und eine Agenda, die absolut den europäischen Werten entspricht", sagte Macron. Das sei "ausschlaggebend zu einem Zeitpunkt, zu dem sich einige europäische Staaten zögernd verhalten", fügte Macron in Anspielung auf die osteuropäischen Staaten Ungarn und Polen hinzu.

"Proeuropäisches Land"

Kurz bekräftigte, Österreich sei "ein proeuropäisches Land mit einer proeuropäischen Regierung". Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz bat er die anwesenden Journalisten, seiner Koalition "eine Chance zu geben" und sie bei aller kritischer Begleitung "an unseren Taten zu messen".

Messbar war indes die unterschiedliche Europa-Begeisterung der beiden Jungpolitiker. Macron begrüßte die Verhandlungen zur Bildung der neuen Koalition in Deutschland als Ausdruck einer stärkeren Ambition für "mehr Europa". Mit demselben Motto überschreibt er auch seinen Plan für die Schaffung eines Budgets und eines Finanzministers für den Euroraum. Macron will sie aus der Taufe heben, sobald die deutsche Koalitionsregierung steht.

Kurz freute sich ebenfalls, dass die deutsche Koalition Form annehme. Zuvor hatte er allerdings gegenüber Journalisten erklärt, dass es auf EU-Ebene nicht um mehr oder weniger Europa gehe. Im Sinne der Subsidiarität sei "mehr Europa" für gezielte Bereiche wie die Verteidigung wünschbar. Bei anderen Themen solle sich die EU hingegen "zurücknehmen", wie der Kanzler meinte. Bezüglich Macrons Wunsch nach einer finanzpolitischen Harmonisierung in der EU hielt er sich zurück.

Auch andere Differenzen spielte der Kanzler so weit wie möglich herunter. Einer EU der verschiedenen Geschwindigkeiten – auf die Macrons Pläne notgedrungen hinauslaufen – erteilte er jedoch in einem Interview mit dem Pariser Blatt Le Figaro eine Absage. Kurz bot sich dafür als europäischer Vermittler auf der "Brücke" zwischen Ost und West an.

Kein Visegrád-Beitritt

Dass Österreich dem östlichen Visegrád-Verbund beitreten könnte, schloss er aus. Auf die Frage, ob er die EU-Sanktionen gegen Polen unterstützen würde, meinte er im Figaro ausweichend, er habe "Vertrauen in das Vorgehen der EU-Kommission".

In der Frage der Migration sprachen sich Macron wie Kurz für eine Verstärkung der EU-Außengrenzen aus. Dass Frankreichs Regierung kürzlich ein verschärftes Asylrecht vorgelegt hatte, dürfte eine Annäherung der Standpunkte erlaubt haben. Macron äußerte auch Verständnis für die österreichische Migrationspolitik nach dem Flüchtlingszustrom von 2015.

Dessen ungeachtet verblieb der Eindruck, dass sich die beiden jüngsten Staatenlenker der EU bei ihren Prioritäten doch stark unterscheiden: Macron will zuerst die EU wirtschaftlich voranbringen, Kurz die Migrationsfrage.

Vor Macron hatte Kurz den Pariser Oberrabbiner Haïm Korsia getroffen. Das Gespräch sei sehr freundschaftlich verlaufen, Kurz habe die Bemühungen gegen den Antisemitismus unterstrichen, hieß es von österreichischer Seite. (Stefan Brändle aus Paris, 12.1.2018)