Das Jahr 1967 war das Jahr, in dem Che Guevara starb, die Funkuhr erfunden wurde und Schweden auf Rechtsverkehr umschwenkte.

1967 war auch das Jahr, in dem das Sommerhaus des US-amerikanischen Autors Ralph Ellison in den Berkshires einem Feuer zum Opfer fiel.

Ein umfangreiches Manuskript verbrannte mit. Daran hatte der afroamerikanische Dichter seit 1955 gearbeitet, seit einem Rom-Aufenthalt, der eine Folge des Triumphs seines Romans Invisible Man (Unsichtbar) war, für den er nach achtjähriger Arbeit im Jahr 1953 den National Book Award, den angesehensten Buchpreis der USA, bekommen hatte. Das fast fertige Manuskript war nur noch Asche.

Ellison setzte sich, angeblich, ein zweites Mal an diesen – seinen zweiten – Roman. Angeblich. Denn Jahre später sollte er in einem Brief schreiben, er habe immer noch einen Durchschlag. Doch ein Romantext namens Juneteenth erschien erst 1999, fünf Jahre nach dem Tod Ellisons, berühmt geworden als Ein-Roman-Autor. Juneteenth war vom Nachlassverwalter aus rund 2000 geschriebenen Seiten zusammengestellt worden.

Im Jahr 2010 erschien eine viel umfangreichere Version, Three Days before the Shooting, 1100 Seiten stark. Ein Meisterwerk, verlorengegangen und wiedergefunden? Oder doch niemals abgängig? Oder ein ganz anderes Buch, mit dem Ellison nicht zurande kam und dem erst ein Literaturwissenschafter so etwas wie eine Form gab?

Die Schicksale von Büchern

Dies ist eine Geschichte, die Giorgio van Straten auch hätte erzählen können in seinem Buch der verlorenen Bücher. Der 1955 geborene Florentiner, Romancier, Übersetzer, Orchester- und Museumsmanager und seit 2012 Leiter des Istituto Italiano di Cultura in New York, skizziert die Schicksale von acht sehr verschiedenen Büchern sehr verschiedener Autoren. Er plaudert über Manuskripte und Texte, die verlorengingen oder verbrannt wurden, die vergessen oder gestohlen wurden. Hemingway ist darunter und Lord Byron, der Pole Bruno Schulz und die Amerikanerin Sylvia Plath, Walter Benjamin, Malcolm Lowry und Nikolai Gogol. Der einzige hierzulande Unbekannte dürfte der Florentiner Romano Bilenchi sein, von dem zuletzt vor einem Vierteljahrhundert Bücher in deutscher Übersetzung erschienen.

Elegant, ja graziös schreiben kann van Straten. Er schlägt einen angenehmen, klugen Konversationston an. Was und wovon er allerdings berichtet in seinen literarischen Appetithäppchen, ist nicht nur hinlänglich bekannt, sondern weitgehend überraschungsfrei. Von Vorteil wäre in jedem Falle eine größere Hintergrundlektüre gewesen.

Als der Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld 1963 den verschlafen hindümpelnden Insel-Verlag aufkaufte und dessen Programm umkrempelte, soll er reichlich paternalistisch gesagt haben, Insel-Bücher seien gedacht für zarte Frauenhände. Van Stratens Insel-Buch hebt aber problemlos auch den Anspruch jedes Coffee-Tables. (Alexander Kluy, 13.1.2018)