Wäre die Weltliteratur ein Ponyhof, wie langweilig wäre sie! Was aber, wenn sie tatsächlich ein Ponyhof ist?! Oder ein Aquarium, ein Weltmeer, ein Wildgehege, ein Revier kletternder, rangelnder oder dozierender Menschenaffen, ein Areal des Flatterns, Schnatterns, Zwitscherns und Krächzens? Eine Gegend, durch die gehoppelt wird, in der gegrunzt wird, gezirpt und trompetet, gekreucht und gefleucht wird?

Und all dies ist ja die Literatur. Tiere stehen im Zentrum von Büchern, ob nun ein weißer Wal oder Hunde, Krambambuli oder jener der Baskervilles, die Tigerfrau oder Martin Suters Elefant, ein Kalif Storch oder Stephen Kings Cujo, der Maulwurf (bei Kenneth Grahame) und Schmetterlinge (bei Andrea Grill), das hässliche Entlein oder Kleists Rappen, E. T. A. Hoffmanns Kater Murr oder Astrid Lindgrens Kleiner Onkel.

Ein tierischer Menschenzoo

Der Journalist und Übersetzer Martin Thomas Pesl, der bis zum Jahr 2015 sieben Jahre lang im Stadtmagazin Wiener klassische Romane der Weltliteratur vorstellen durfte, hatte Im Jahr 2016 einen schönen, schön unerwarteten Erfolg mit Das Buch der Schurken. In diesem Panorama der Bösewichte, Übeltäter und Soziopathen beugte er sich über die Hitliste der Schurken, Verbrecher, Unholde und Psychopathen und porträtierte sie in einem zwölfteiligen Panorama, das vom Gilgamesch-Epos bis zu T. C. Boyles Hart auf Hart reichte.

Das identische Konzept hat er nun auf Faunapromenaden durch den tierischen Menschenzoo von Märchen bis zu Nell Zinks Mauerläufer und der von Saint-Exupérys ausgeliehenen Schlange in Leises Schlängeln der großen A. L. Kennedy übertragen. Jeder Eintrag umfasst eine Doppelseite.

Der Illustrator Kristof Kepler, der auch hier wieder mit an Bord ist, steuert zu jedem Titel und Tier eine antiromantische Zeichnung bei. Der beschreibende Text, zwischen amüsantem Kurzfeuilleton und etwas angestrengtem Geplauder oszillierend, ist knapp eine Druckseite lang und schließt mit etwas geschmäcklerischen Einstufungs- und Benotungskategorien, Gattung etwa oder Lebensraum oder auch, reichlich sinnfrei, Filmdarsteller. Was hilfreich gewesen wäre, aber fehlt, ist ein Namensregister.

Tierische Ermittler

Ein langer Traditionsstrang erzählender Literatur, und darauf geht Pesl in seiner Einleitung ein, setzte Tiere als Sprechrohr ein, als moralischen, dabei entlarvenden Stellvertreter, von Äsops Fabeln bis zu Jean de La Fontaine und den Brüdern Grimm oder Kafkas anthropomorphisiertem Affen Rotpeter.

Dann gab es ja auch die mittlerweile abgeebbte Welle tierischer Ermittler, von Katze über Schaf bis Goldfisch und Graupapagei. Fielen bei der Enzyklopädie der Schlechtmenschen nahezu auf der Stelle Ergänzungen oder Alternativkandidaten ein, so ist dies hier deutlicher schwieriger. Manches Tier liegt auf der Hand, Rice Burroughs' Affen, John Irvings Schwarzbär, Yann Martels Tiger, Cervantes' Rosinante oder J. K. Rowlings Eule Hedwig. Andere sind schöne Funde. Lassie hätte man aber denn doch noch gern aufgenommen gesehen. (Alexander Kluy, 16.1.2018)