Wien – Die Volksanwaltschaft ortet beim Heimopferrentengesetz einen Reformbedarf. Nötig ist etwa die Einbeziehung von Krankenanstalten und "privater" Einrichtungen sowie die Berücksichtigung der besonderen Situation von Menschen mit Behinderungen, erklärte Volksanwältin Gertrude Brinek bei einer Pressekonferenz am Donnerstag, ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Heimopferrentengesetzes.

Das Gesetz wurde im Mai des Vorjahres einstimmig vom Nationalrat beschlossen. Opfer von Misshandlungen in Heimen des Bundes, der Länder und der Kirchen sowie in Pflegefamilien bekommen damit seit 1. Juli eine monatliche Rente von 300 Euro. Im ersten halben Jahr seit Inkrafttreten hat die Volksanwaltschaft mehr als 500 Fälle bearbeitet.

Die Bezugsberechtigten

Bezugsberechtigt sind derzeit Personen, die eine pauschalierte Entschädigung als Missbrauchsopfer erhalten haben und eine Pension beziehen oder das Pensionsalter erreicht haben. Pensionsbeziehern gleichgestellt sind jene, die Mindestsicherung beziehen und deren Arbeitsunfähigkeit auf Dauer festgestellt wurde.

Personen, deren Entschädigungsansuchen abgeweisen wurde oder die nicht zeitgerecht ein Ansuchen stellen konnten, bekommen eine Heimopferrente, wenn sie wahrscheinlich machen, dass sie Opfer vorsätzlicher Gewalt wurden. Mit diesen Anträgen befasst sich die weisungsfreie Rentenkommission der Volksanwaltschaft. In zwei Bundesländern, Wien und Kärnten, können keine Entschädigungsanträge mehr gestellt werden.

Bei der Volksanwaltschaft haben sich mittlerweile auch mehr als 40 Betroffene von Missbrauch und Gewalt in Krankenanstalten gemeldet. Genannt wurden dabei laut Volksanwalt Peter Fichtenbauer die Kinderbeobachtungsstation Dr. Novak-Vogl in Tirol, die Kinderpsychiatrie Klagenfurt Dr. Wurst in Kärnten, die Kinderheilanstalt Lilienfeld-Frankenstiftung in Niederösterreich, sowie in Wien die Klinik Hoff, Spiegelgrund/Steinhof/Pav. 15, die Kinderheilstätte Bellevue und die Lungenheilstätte Baumgartner Höhe.

Jugendfürsorge berücksichtigen

Da die Einweisung in diese durch die Jugendfürsorge erfolgte, müssen auch Krankenanstalten vom Heimopferrentengesetz umfasst werden, forderte Fichtenbauer. Dies soll auch für private Einrichtungen der Fall sein, wenn sie funktional für einen Jugendwohlfahrtsträger tätig wurden. Fichtenbauer bilanzierte, es war ein "später Vorgang des Gesetzgebers. Aber immerhin, er ist erfolgt und er ist zu begrüßen".

Berücksichtigt werden sollte auch die besondere Situation von Menschen mit Behinderungen, hier soll sichergestellt werden, dass sie in gleicher Weise einen vorzeitigen Anspruch auf die Heimopferrente geltend machen können. Wegfallen sollte hingegen der "besondere Grund", der anzugeben ist, wenn das Ansuchen auf Entschädigung nicht zeitgerecht gestellt wurde. In vielen Fällen werde erst jetzt das Vertrauen gefasst, erklärte Volksanwalt Günther Kräuter. Er berichtete außerdem von mehreren Beispielen, wonach Kinder eben auch in Krankenanstalten Opfer von Gewalt und Missbrauch wurden: Schläge, auch im Intimbereich, Einschüchterungen oder kaltes Abduschen gab es.

Frühere Bescheide gefordert

Ehemalige Heim- und Pflegekinder, die keine Einmalzahlung bekommen haben, müssen bis zum Pensionsantritt warten, um erstmals über ihre Erlebnisse sprechen zu können. Brinek drängt daher auf einen früheren Feststellungsbescheid. Das heißt, zu dem Zeitpunkt, in dem die Person bereit ist, über das Erlebte zu sprechen, sollen alle Erhebungen durchgeführt werden.

"Von Seiten der Regierung wünschen wir uns eine zügige Vorgangsweise. Wir haben die Daten. Wir wollen, dass die Reform bis Jahresmitte durchgesetzt wird", erklärte Kräuter. Ein Zuwarten wäre ein Fehler, verwies er auf das Alter der Betroffenen. Begrüßt wird daher von der Volksanwaltschaft auch die im Regierungsprogramm angekündigte Evaluierung des Heimopferrentengesetzes. Derzeit gebe es rund 600 Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, Kräuter mahnte daher, dass alles unternommen wird, damit keine weiteren Opfer und Anspruchsberechtigte entstehen.

Laut Fichtenbauer wurden von Juli bis September 2017 2.600 Anträge nach dem Heimopferrentengesetz gestellt, 1.500 positive und 300 negative Entscheidungen wurden gezählt. 800 Verfahren sind noch offen. Die Zahl der Fälle bei der Volksanwaltschaft betrug 514. 260 wurden wegen eines Ansuchens auf eine pauschalierte Entschädigung an eine Opferschutzstelle weitergeleitet. Was die weiteren Verfahren bei der Volksanwaltschaft betrifft, wurden 193 Personen zu einem Clearinggespräch eingeladen, 137 davon fanden bereits statt. 20 Fälle befinden sich in Vorbereitung zum Clearing. Das Kollegium der Volksanwaltschaft gab auf Vorschlag der Rentenkommission 49 positive und sieben negative Empfehlungen.

Vor dem Gebäude der Volksanwaltschaft kritisierte am Donnerstag etwa ein Dutzend Personen mittels Banner etwa, dass Betroffene nicht eingebunden würden. Brinek erklärte dazu in der Pressekonferenz, dass im Vorfeld kundgetan wurde, dass es sich bei dem heutigen Termin um keine Arbeitsgruppe oder Podiumsdiskussion handle. Es gebe ständigen Kontakt der Kommission mit Betroffenen. (APA, 11.1.2018)