Bild nicht mehr verfügbar.

Weniger als die Hälfte der Doktoranden aus Drittstaaten bleibt nach dem Studium in Österreich.

Foto: Reuters/RUSSELL BOYCE

Wien – Leora W., eine kleine, quirlige Kanadierin, arbeitet als technische Redakteurin in Wien. Sie ist eine von vielen Drittstaatsangehörigen, die sich in Österreich niedergelassen und auf Arbeitssuche begeben haben. W. ist auch eine jener Personen, die sich – trotz ihrer hohen Qualifizierung – an dem System die Zähne ausbeißen.

W. hat ihr Masterstudium an der Wirtschaftsuniversität Wien abgeschlossen und währenddessen als Assistentin an ihrem Institut gearbeitet. Nicht-EU-Bürger, die in Österreich studieren, dürfen neben dem Studium bis zu 20 Stunden arbeiten. Der Arbeitgeber muss jedoch eine Beschäftigungsbewilligung beim AMS beantragen.

Mindestens 2.300 Euro Einstiegsgehalt

Damit hält sich der bürokratische Aufwand für Studentenjobs im Rahmen. Ganz anders sieht es nach dem Studienabschluss für Drittstaatsangehörige aus. Diese haben seit der Gesetzesnovelle im Oktober zwölf Monate Zeit (zuvor waren es sechs Monate), eine – für die eigene Qualifikation passende – Anstellung zu finden und eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu beantragen. Während dieser Zeit müssen Absolventen einen gesicherten Lebensunterhalt, eine Unterkunft und eine Krankenversicherung vorweisen können. Passend heißt aber auch, dass der Job den Kriterien, die das AMS für die jeweilige Position vorsieht, entsprechen muss. Dazu zählt neben bestimmten Ausbildungen auch ein Bruttomindestgehalt von 2.308,5 Euro pro Monat.

So sieht die Rot-Weiß-Rot-Karte aus. Tatsächlich passt sie aber ins Geldtascherl.
Foto: Der Standard/Cremer

Die RWR-Karte ist für die meisten Ausländer der Weg zur Arbeitserlaubnis. Die strengen Kriterien, die für die Karte notwendig sind, dürften viele Studierende abschrecken: Laut Statistik Austria haben im Studienjahr 2015/2016 insgesamt 3.143 Drittstaatsangehörige ein Studium in Österreich abgeschlossen. Im gleichen Jahr beantragten nur rund 240 Absolventen eine RWR-Karte, heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem Innenministerium. Das entspricht einer Quote von rund acht Prozent.

Von der MA 35 zum AMS

W. hat am Tag ihrer Sponsion die Zusage für einen Job bekommen, der alle Kriterien erfüllt. Der nächste Schritt hat die Kanadierin jedoch nicht an ihren künftigen Schreibtisch gebracht, sondern in die Magistratsabteilung für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (MA 35). Jene Behörde, die in Wien für die RWR-Karte zuständig ist. "Zu diesem Zeitpunkt muss bereits ein konkretes Jobangebot vorliegen", erzählt Barbara Reinwein von der MA 35. Dann werden die Unterlagen an das AMS weitergeleitet, das bis zu vier Wochen Zeit hat, den Antrag zu prüfen.

Das Gesetz schreibt vor, dass die Verfahrensdauer nicht länger als acht Wochen dauern darf. Laut Reinwein kann es "in einzelnen Fällen zu Verzögerungen" kommen. Wie der STANDARD erfahren hat, dürfte sich der Prozess – trotz vollständig eingereichter Unterlagen – jedoch öfters verzögern. So auch bei W.: Sie erhielt das Jobangebot im Oktober und beantragte die RWR-Karte. Mitte Jänner erhielt sie den Ausweis und konnte auch damit erst ihren Job antreten.

Intransparenter Prozess

Die Kanadierin kritisiert, dass der Prozess "völlig intransparent" abläuft und dieselben Dokumente oft mehrfach eingereicht werden müssen: "Du weißt nie, wie weit dein Antrag schon ist." Auch die Informationen, die im Internet zu finden sind, seien teilweise mangelhaft und nicht immer ins Englische übersetzt, erzählt ein Absolvent aus der Ukraine.

Selbst Anna H. (Name der Redaktion bekannt), die professionell Unternehmen hilft, ausländische Arbeitskräfte in Österreich anzusiedeln, erzählt von Komplikationen: "Man braucht einen langen Atem." H. hat schon zahlreiche Anträge für RWR-Karten begleitet. Sie sagt, dass die Fristen meistens eingehalten werden. Kleine Probleme, wie etwa englischsprachige Berufsbezeichnungen, die das AMS nicht anerkennt, – wie "system administrator" –, würden aber oft zu Verzögerungen von mehreren Wochen führen.

An Arbeitgeber gebunden

Die Arbeitserlaubnis ist an ein Unternehmen gebunden, dessen Name auch auf der Karte abgedruckt ist. Will oder muss ein Arbeitnehmer die Stelle wechseln, muss er den gesamten Prozess noch einmal von vorne starten. Die Bewilligung wird zudem zeitgleich nur für ein Unternehmen ausgestellt, was mehrere geringfügige Tätigkeiten ausschließt. Erst wenn ein Karteninhaber binnen der zweijährigen Gültigkeit mindestens 21 Monate bei einem der eigenen Qualifikation entsprechenden Arbeitgeber beschäftigt war, kann er die Rot-Weiß-Rot-Karte plus beantragen. Damit bekommen Drittstaatangehörige den uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang.

Unternehmen müssen aufgrund der langen Bearbeitungszeit daher oft mehrere Monate im Voraus planen, wenn sie Arbeitskräfte aus Drittstaaten einstellen möchten. Ein positiver Bescheid seitens der Behörden ist trotz der Wartezeit nicht gesichert. Dass dürfte auch einer der Gründe sein, wieso die Karte bisher kein Erfolgsmodell war. Insgesamt haben laut AMS zwischen Juli 2011 und Ende November 2017 nur 1.364 Studienabsolventen eine RWR-Karte erhalten. Zu der Statistik zählen keine Absolventen, die über andere Wege, wie etwa Heirat, Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt haben.

Viele wandern ab

Die strikten Anforderungen könnten auch ein Grund dafür sein, dass viele Studierende nach dem Abschluss das Land verlassen. Laut Statistik Austria sind im Studienjahr 2012/2013 (aus dem die letzten Aufzeichnungen stammen) 17 Prozent der Bachelorstudierenden aus Drittstaaten innerhalb des ersten Jahres nach Studienabschluss weggezogen. Bei Masterstudien waren es 30, bei Doktoranden mehr als 51 Prozent. Letztendlich ist der Zugang zum Studium für Drittstaatsangehörige in Österreich leichter als jener auf den Arbeitsmarkt.

Absolventen aus Drittstaaten, die Österreich nach dem Studienabschluss verlassen.
Foto: Der Standard/Statistik Austria

Auch bei anderen Antragstellern, etwa besonders hochqualifizierten Personen, ist die 2011 eingeführte Rot-Weiß-Rot-Karte nicht besonders populär. 2015 wurden knapp 1.200 Karten ausgestellt, 2016 waren es rund 1.800. Schwarz-Blau will die Karte laut Regierungsprogramm nun "entbürokratisieren" und eine Senkung der Gehaltsgrenze prüfen. (Nora Laufer, 10.1.2018)