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Die chinesischen Investoren sind vor allem als Geldgeber beliebt, weil die Standards weniger strikt sind als jene westlicher Finanzinstitutionen. Insbesondere die Infrastruktur in Südosteuropa ist im Vergleich zu Mittel- und Westeuropa schlecht ausgebaut.

Foto: Reuters / THILO SCHMUELGEN

Wien/Sarajevo – In der chinesischen Mythologie steht der Drache für Reichtum, Glück, Güte und Intelligenz, auf dem Balkan ist das Fabelreptil ebenfalls positiv besetzt. Kräftig und unbesiegbar soll er sein. Die Investitionen, von China in Mittel- und Südosteuropa, kommen hier so gut an wie das Symboltier des asiatischen Staates. Denn sie sichern der Region nicht nur relativ problemlose Kredite, sondern bringen auch Konkurrenz in den Kreis der Investoren – die EU-Staaten, die Türkei und Russland. Je mehr Alternativen es gibt, desto mehr können sich die Balkanstaaten ihre Strategie zurechtschneidern und müssen etwa Forderungen der EU weniger nachgeben.

Die Investitionen auf dem Balkan begannen bereits Jahre vor der groß verkündeten "Ein Gürtel – eine Straße"-Initiative (BRI) 2013. In Mazedonien investierte China bereits ab 2006, in Serbien ab 2008, und im Jahr 2009 kaufte die China Ocean Shipping Company (COSCO) den Hafen im griechischen Piräus. Der chinesische Staatschef Xi Jinping nannte Griechenland gar "das Tor zu Europa". China ließ in der Folge auch in die Hafeninfrastruktur in Albanien und Montenegro Geld fließen.

Der Ausbau der Straßen und Eisenbahnen, der Elektrizität und die Vergabe von Krediten in der Region werden von Ökonomen vor allem als Versuch Chinas gesehen, den Weg Richtung Westeuropa zu ebnen. Mittel- und Osteuropa sollen dabei als Testfeld dienen. In Osteuropa könnten chinesische Investoren lernen, wie europäische Normen und Standards umgesetzt werden müssen.

Viertgrößter Handelspartner

In Griechenland wurden bereits 4,2 Milliarden Euro investiert, nach Serbien fließen 2,6 Milliarden Euro – allerdings wurden noch nicht alle Projekte in diesem Rahmen zu Ende gebracht. 2016 war China aber bereits der viertgrößte Handelspartner des kleinen Balkanstaates. China offerierte nicht nur Kredite, sondern investierte auch in das Wärmekraftwerk in Kostolac. Nach Mazedonien flossen 640 Millionen Euro aus China, etwa für die Autobahn, nach Bosnien-Herzegowina waren es bisher nur 350 Millionen Euro – viele Projekte blieben bisher in der Ankündigungsphase.

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Die Pläne von Chinas Staatschef Xi Jinping sind lang: Mit dem Großprojekt Seidenstraße will er Peking zu neuer Macht verhelfen und den Weg nach Europa ebnen.
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Die chinesischen Ambitionen wecken in der EU auch Ängste. Man befürchtet, dass die Korruption durch das "billige Geld" weiter ansteigen könne, und man ahnt, dass das geoökonomische Projekt eine starke politische Seite hat. Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) führt im Auftrag der chinesischen Botschaft in Wien gerade eine Analyse durch – inwieweit sich die BRI handelspolitisch und im Bereich der Infrastruktur bereits auswirkt. Für Österreich ist Ost- und Südosteuropa ja eine wichtige Wirtschaftsregion.

"Halbkommandowirtschaft"

Bislang machen die Investitionen Chinas nur 1,3 Prozent aller Direktinvestitionen in den 16+1-Staaten (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Mazedonien, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien, Slowakei, Slowenien) aus, mit denen China zunehmend kooperiert. Im Vergleich dazu beträgt der österreichische Anteil in der Region 19,1 Prozent. Allerdings haben sich die chinesischen Investitionen in den vergangenen Jahren fast verdoppelt.

Bei vielen Projekten handelt es sich um Darlehenszusagen. "Die Chinesen fragen nicht nach Demokratie und Jurisdiktion, wenn sie Geld geben", meint der WIIW-Ökonom Robert Stehrer, auch deshalb seien sie willkommen. China habe im Gegensatz zur EU den Vorteil, dass es schnell und konkret Zentralbankgeld einsetzen könne, gerade weil es sich um eine "Halbkommandowirtschaft" handle, erklärt sein Kollege Mario Holzner. Zudem senke der Aufbau einer besseren Infrastruktur auch die eigenen Produktions- und Exportkosten.

Insgesamt sollen aus China 13 Milliarden Dollar in den 16+1-Staaten investiert werden. Für die Westbalkanländer seien diese Geldmittel wichtig, meint Holzner. Allerdings hätten die chinesischen Infrastrukturprojekte offensichtlich eher das Ziel, von Griechenland in den Norden Verbindungen zu schaffen. China wolle sich mit den Wohlstandsregionen Europas verbinden. Für den Handel zwischen den Balkanstaaten mangle es hingegen eher an der Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen, etwa an Verkehrsverbindungen quer durch die Staaten an die Küste.

Blockademöglichkeiten

China, das Überschüsse produziert und deshalb neue Märkte erschließen will, kaufe in den 16+1-Staaten jedenfalls zurzeit "fast alles auf, was angeboten wird", konstatiert der Kollege Gabor Hunya, etwa Kraftwerke oder Stahlwerke. Diese Ankäufe folgten allerdings keinem Masterplan. Die EU selbst reagiere darauf "langsam, beobachtend und abwartend", so Stehrer. Allerdings verweist man im WIIW darauf, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Blockademöglichkeiten gegen chinesische Investitionen erwägt.

In Mittelost- und Südosteuropa dominiert die Hoffnung, dass man zum chinesischen Knotenpunkt werden könnte, so die WIIW-Forscher. Auch Österreich möchte eine Rolle spielen und merkt dabei erst spät, dass es gerade bei den Straßenverbindungen in Richtung Osten und Norden in der Vergangenheit viel zu wenig getan hat, meint Holzner. (Adelheid Wölfl, 6.1.2018)