Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache wollen den Ländern die geplante drastische Kürzung der Mindestsicherung für bestimmte Bezugsgruppen nötigenfalls vorschreiben. Ein entsprechendes Grundsatzgesetz kündigten beide im STANDARD an. Hauptbetroffen wären anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Wien: Diese sollen nach dem Vorbild Oberösterreichs nur 365 Euro plus 155 Euro Integrationsbonus pro Monat erhalten. Der aktuelle Mindeststandard beträgt 845 Euro.

Neben einer Deckelung auf 1500 Euro pro "Bedarfsgemeinschaft" – Familie oder Wohngemeinschaft – soll Mindestsicherung nur bekommen, wer innerhalb der vergangenen sechs Jahre fünf Jahre legal in Österreich gelebt hat. Damit wären zu über 90 Prozent anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte und nur selten andere, etwa Österreicher, betroffen, sagt ein Experte, der sich dabei auf Erfahrungen mit der niederösterreichischen Mindestsicherungsregelung bezieht. Diese wird aktuell geprüft, die Entscheidung darüber haben die Höchstrichter auf März 2018 vertagt. Unklar ist laut dem Regierungsprogramm aber, ob Anspruch auf Mindestsicherung überhaupt erst nach fünf Jahren legalem Aufenthalt bestehen soll.

Ein Treppenwitz

Die rot-grüne Regierung in Wien sieht in den türkis-blauen Plänen eine Ungleichbehandlung. Kommt das Gesetz, werde man eine Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) anregen, sagte ein Sprecher von Sozialstadträtin Sandra Frauenberger.

Was sagen die anderen Länder? Beispiel Salzburg: Es klingt fast wie ein Treppenwitz, während die ÖVP/FPÖ-Regierung eine Sozialhilfekürzung erzwingen will, beschließt in Salzburg dieselbe ÖVP mit den Grünen am Mittwoch im Landtag eine Novelle zum Mindestsicherungsgesetz. In dieser ist eine Deckelung der Bezüge nicht enthalten. "Wir warten auf das angekündigte Grundsatzgesetz", sagt Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne). Er sei davon überzeugt, dass die Deckelung vom VfGH aufgehoben werden würde. Auch Tirols Landeshauptmannstellvertreterin und Tiroler Grünen-Chefin Ingrid Felipe hält das Vorhaben für verfassungswidrig. Ob Schellhorn oder Felipe dann noch einer Landesregierung angehören, ist allerdings offen. Tirol wählt im Februar, Salzburg Ende April – und die Grünen schwächeln.

Frage des Spielraums

Inhaltlich widerspricht Verfassungsjurist Heinz Mayer. Der Bund könne sehr wohl bei der Grundsatzgesetzgebung genaue Vorgaben machen: "Das passierte auch bisher schon in der Praxis, wenn man sich etwa das Krankenanstaltengesetz ansieht." Einen Spielraum müsste es aber geben, sagt Mayer.

In Kärnten und in der Steiermark wird das Vorhaben der neuen Bundesregierung ebenfalls abgelehnt: "Diese Pläne sind unmenschlich", sagte etwa die rote Soziallandesrätin Doris Kampus. (red)