Der FPÖ heute fehlt der irrlichternde-dämonische Wahnsinn, trauerte der frühere Chef der Wiener Volkspartei, Bernhard Görg, neulich im "Standard" vergangenen Zeiten nach, darin Trost findend, dass sie heute zwar "rechter und deutschnationaler sei, aber deutlich berechenbarer". Das war vielleicht etwas ungerecht gegen die FPÖ heute. Vermittelte doch die Behauptung ihres Chefs, "Karin Kneissl ist ein weiblicher Kreisky", wie sie der "Kurier" in einem Titel wiedergab, wenn schon nichts Dämonisches, dann doch einen Hauch irrlichternden Wahnsinns. Im Text fand sich Straches Einschätzung abgemildert wieder, dort hieß es, Karin Kneissl ist eine großartige Persönlichkeit, ein weiblicher Kreisky vielleicht, wenn es um Vermittlung, Akzeptanz und auch um Werbung für Österreich im Ausland geht. Auf der Suche nach Kandidaten für eine Regierung kann man im Ton leicht danebengreifen. Aber solange nicht rückblickend Kreisky als männliche Kneissl gehandelt wird, ist der irrlichternde Wahnsinn in der FPÖ nicht voll ausgebrochen.

Grasser privat

Wahrlich nicht zum ersten Mal, aber diesmal aus gerichtlich gegebenem Anlass, haben sich einige Blätter um das Privatleben von Karl-Heinz Grasser bemüht. Der "Kurier" gab sich nicht damit zufrieden, eine überraschend stabile Ehe zu diagnostizieren, er konnte auch einen Wandel in der Lebensmaxime der Eheleute feststellen: Versteckt lebt es sich besser. Aus der Perspektive von Grassers Ehefrau Fiona stellt sich der Rückzug so dar: Das Leben mit ihren vielen Hunden sei in der Stadt nicht möglich gewesen. Und "je länger ich in der Öffentlichkeit gestanden bin, umso mehr habe ich erkannt, dass man nach dem Motto "pour vivre bien, il faut vivre caché" leben soll. Das erzählte Fiona in einem Interview zu ihrem 50. Geburtstag. Wie es um das Französisch ihres Mannes bestellt ist, war dem "Kurier" keine Zeile wert. Wenigstens war es nicht der Ehemann, der dem Stadtleben im Wege stand.

Fiona bürstet die Tiere täglich, und nicht nur das. Sie scheint sich von dem juristischen Krimi die Festtagsstimmung nicht verderben zu lassen. Erst vor wenigen Tagen machte sie eine Pause vom Vivre caché und erleuchtete bestens gelaunt in der berühmten Mailänder Galleria Vittoria Emanuele II. den prachtvollen Glitzer-Swarovski-Christbaum. Das konnte nicht unbegleitet bleiben von einem hochmoralischen Leitartikel des Chefredakteurs, der sich mit einer ewigen Warnung vor Hybris nicht lumpen ließ. KHG, auf dieses Kürzel war er ja besonders stolz, und niemand weiß bis heute, warum, ist ein vielfaches Opfer, zuerst natürlich seiner Hybris, dann aber auch des Medien-Lifts, der nicht nur nach oben geht, ein Opfer auch der Unterwürfigkeit vieler Landsleute, die Blender wie ihn gerne bewundern, ein Opfer falscher Freunde und ein Opfer eines Politikbetriebes, den er zu beherrschen glaubte.

Opfer KHG

Abgesehen von Opfer war KHG auch Finanzminister und als solcher intelligent genug, um zu wissen, dass er alle beschwindelt hat - mit dem Satz: "Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget." Sein (nach Jörg Haider) zweiter Mentor Wolfgang Schüssel wusste es ebenso. Auch er war schließlich intelligent genug. Das Schwindeln wäre ja nicht so schlimm gewesen, aber das in der Oper hätte man ihm niemals durchgehen lassen dürfen: Eine selbstbewusste bürgerliche Gesellschaft hätte einen Finanzminister, der in der Loge die Champagnerkorken krachen lässt, aus der Oper hinausgeworfen.

Gäbe es in Österreich eine selbstbewusste bürgerliche Gesellschaft wäre Grasser niemals als Finanzminister engagiert worden, und wie sie auf einen Sebastian Kurz reagiert hätte, will man sich auch nicht ausmalen. Das Land leidet unter der Verwechslung von Begriffen wie selbstbewusste bürgerliche Gesellschaft und bürgerliche Partei.

Medien-Lifts tragen wesentlich zu dieser Verwechslung bei. Von einem solchen der Firma "Österreich" ließ sich Grasser dieser Tage gern transportieren. Denn er ist wieder einmal Opfer. Ich bin definitiv vorverurteilt – ich glaube, es gibt niemand, der je so vorverurteilt wurde. Wenn man, so wie ich, acht Jahre Hetzjagd hinter sich hat, dann wünscht man sich, dass das Verfahren endlich beginnt. Gut, dass dieser Wunsch nun endlich in Erfüllung zu gehen scheint. "Ich will nur mein Leben zurück."

Nach Hause. Seine Frau Fiona bürstet täglich ihre fünf Hunde und zehn Katzen. Sie spricht mit ihren Blumen. Über dieser Idylle hängt das Damoklesschwert. Hätte man nur früher mit verstecktem Leben begonnen. (Günter Traxler, 17.12.2017)