Eine erste Bewährungsprobe zur EU-Tauglichkeit von Türkis-Blau zeichnet sich bereits ab, noch bevor die neue Regierung überhaupt angelobt wurde. Beim EU-Gipfel werden die Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate beschließen.

Diese laufen seit mehr als drei Jahren wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem Bürgerkrieg in der Ostukraine, bei dem Separatisten von Moskau unterstützt werden. Solange es diesbezüglich keine Fortschritte Richtung Frieden gemäß dem Minsker Abkommen zur Ukraine mit Präsident Wladimir Putin gibt, will niemand in der Union die Sanktionen beenden. Die FPÖ fordert das Aus der Strafmaßnahmen gegen Russland aber seit langem, hat sich diesbezüglich auch im EU-Parlament positioniert, wo sie Teil der Fraktion der extrem rechten Parteien unter Führung des französischen Front National von Parteichefin Marine Le Pen ist.

Heikel werden für die Freiheitlichen die Wochen nach dem EU-Gipfel, denn der Beschluss der Regierungschefs (noch mit SPÖ-Kanzler Christian Kern) muss formell im nächsten EU-Außenministerrat im Jänner fixiert werden – also von der neuen Regierung und mutmaßlich mit der den Freiheitlichen zugerechneten neuen Außenministerin Karin Kneissl.

FPÖ hat zwei Möglichkeiten

Dabei ist, so wie bei allen Beschlüssen in der gemeinsamen Außenpolitik, Einstimmigkeit nötig. Die FPÖ hat also zwei Möglichkeiten. Entweder bleibt sie bei der den Wählern versprochenen Linie und legt im Ministerrat ein Veto ein. Oder sie stimmt der EU-Gipfelvorgabe zu und für die Verlängerung der Russland-Sanktionen.

Im EU-Parlament geht man von einem Einknicken der FPÖ aus. Laut dem ÖVP-Delegationschef Othmar Karas wäre ein blaues Veto ein Bruch der "Verfassungskonformität in Österreich, die Grundlage der Regierungspolitik in der EU ist". Die Gültigkeit des Minsker Abkommens habe "rechtlichen Status".

Karas sieht so wie die EU-Mandatare von SPÖ, Grünen und Liberalen dringenden Handlungsbedarf der FPÖ bei deren Mitgliedschaft in der von Le Pen mit FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky gegründeten Fraktion unter dem Namen "Europa der Nationen und Freiheit": "Den österreichischen EU-Vorsitz 2018 führen und dort gleichzeitig Mitglied zu sein, das ist ein Widerspruch, das stärkt Österreich nicht."

Kein Zwang

Das sieht dem Vernehmen nach auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz so. Er steht aber auf dem Standpunkt, dass er die Freiheitlichen zu einem ENF-Austritt nicht zwingen kann. Vilimsky, der auch FPÖ-Generalsekretär ist, hat das Verlassen der Le-Pen-Fraktion bisher ausgeschlossen. Allerdings klingen die Töne aus der FPÖ-Delegation dazu nicht mehr so kategorisch wie in den vergangenen Jahren.

Von den übrigen sieben Fraktionen im EU-Parlament wird die ENF völlig isoliert, weil als EU-feindlich eingeordnet, seit Le Pen im französischen Wahlkampf erklärt hat, dass es ihr Ziel sei, "die EU zu zerstören" und Frankreichs Austritt aus dem Euro zu betreiben. Die Europäische Volkspartei (EVP) hat sogar die strikte Regel, dass jeglicher Antrag der ENF nicht unterstützt wird. (Thomas Mayer aus Brüssel, 13.12.2017)