Bild nicht mehr verfügbar.

Kambodschas Premier Hun Sen mit einer Anhängerin. Unterstützern der Opposition drohte er im Frühjahr mit der "Eliminierung".

Foto: Reuters / Samrang Pring

Phnom Penh / Wien – Hun Sen hat sich geirrt. Monatelang, so beschrieb es jüngst der "Economist", hatte der kambodschanische Premier guten Kontakt zu Donald Trump gesucht und ihn diplomatisch bezirzt. Bei gemeinsamen Treffen lobte er die Haltung des US-Präsidenten, der sich um die Interessen der USA statt um die Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten kümmere. "Ich weiß nicht, ob Sie so sind wie ich oder ich so wie Sie", hatte der autoritäre Regierungschef noch Anfang November bei einem Gipfeltreffen zu Trump gesagt. Er versprach sich von der Charmeoffensive ein Ende des Nörgelns jener amerikanischen Diplomaten, die unter Trumps Vorgänger Barack Obama immer wieder seine Herrschaft kritisiert hatten.

Gebracht hat es nichts. Als Reaktion auf das Verbot der größten Oppositionsgruppe – der Nationalen Rettungspartei (NRP) – verhängten die USA Ende der vergangenen Woche Sanktionen und Einreisesperren gegen hohe Mitglieder von Hun Sens Volkspartei (CPP). Am Dienstag reagierte auch die EU: Sie zog geplante Hilfen bei der Abhaltung von Wahlen im kommenden Jahr zurück. Diese könnten "nicht mehr als legitim gelten", teilte die Vertretung Brüssels in Phnom Penh mit.

Strafen für den "Lord Premier"

Die Strafmaßnahmen von USA und EU gelten als ernste Warnschüsse gegen die Regierung Hun Sens. Der seit 32 Jahren de facto amtierende Regierungschef hatte in den vergangenen Jahren die Zügel seiner Herrschaft wieder fester angezogen. Besonders seit 2013 sieht er sich gefährdet. Damals hatte seine CPP bei Wahlen nur knapp gegen die NRP gewonnen, obwohl der Regierung weitreichende Wahlfälschung vorgeworfen wurde.

Seither lässt Hun Sen seinen Apparat härter als bisher gegen die Presse vorgehen: Mehrere Blätter wurden verboten, zuletzt die englischsprachige "Cambodia Daily", die seither im Exil produziert wird. Schon seit Mitte des vergangenen Jahres gibt es neue Regeln dazu, wie Medien in Kambodscha Hun Sen anzusprechen haben – seither sind sie verpflichtet, dem Namen des Regierungschefs die Formel "Lord Premierminister und Oberster Militärführer" voranzustellen. Seine Gattin ist als "Gefeierte Hohe Gelehrte Bun Rany Hun Sen" anzusprechen. Sie ist ausgebildete Krankenpflegerin.

Die USA als Schreckgespenst

Seit Anfang des Jahres wird auch die Opposition wieder stärker zum Ziel. NRP-Chef Kem Sokha sitzt seit 3. September in Haft. Die Regierung wirft ihm Landesverrat und Spionage vor, als Indiz dient ihr eine Rede aus dem Jahr 2015. Damals hatte der Politiker gesagt, er habe für die Gründung einer politischen Bewegung Ratschläge aus den USA eingeholt. Auch mit Gewalt hat Hun Sen der Opposition gedroht. Vor Regionalwahlen im Frühjahr sagte er, seine Partei sei bereit "100 oder 200 Menschen zu eliminieren", um den Wahlsieg sicherzustellen. Die Drohung scheint vielen glaubhaft, immerhin hatten Unterstützer der CPP bei Straßenschlachten 1997 tatsächlich mehrere Dutzend Gegner getötet.

Wie Kambodscha auf die Ankündigung der EU reagieren würde, war am Mittwoch noch offen. Die Einreiseverbote der USA hatte Phnom Penh in der vergangenen Woche als "rachsüchtige Maßnahme" bezeichnet, die nur den Interessen einiger Bürokraten diene. Das Bild, das viele Kambodschaner von den USA haben, ist noch immer von den Ereignissen des Kalten Kriegs geprägt, analysierte das Magazin "The Diplomat" zuletzt: Damals, im Vietnamkrieg, hatte Washington das Land bombardieren lassen. Auch die Vorwürfe an die USA, später nur leicht verdeckt das mörderische Regime der Roten Khmer unterstützt zu haben, sind bei vielen noch nicht vergessen. Washington hatte sich einer Koalition, der auch die Roten Khmer angehörten, damals angenähert, um das kommunistische Vietnam strategisch zu schwächen. Vietnam wiederum hatte durch eine Militärintervention und die folgende Besatzung der Volkspartei von Hun Sen in die Regierung verholfen.

Vier Milliarden Euro auf dem Spiel

Dennoch haben sich starke Wirtschaftsbeziehungen des Westens zu Hun Sens Kambodscha gebildet. Vor allem viele Textilkonzerne nutzen das Land als billigen Standort für Fabriken, in denen die Arbeitsbedingungen nur sehr lax überwacht werden. Mindestens vier Milliarden Euro betrug des Exportvolumen Kambodschas in die EU im vergangenen Jahr, berichtet "Forbes". Für viele Experten ist daher plausibel, dass die Drohung mit Wirtschaftssanktionen die Regierung zu Zugeständnissen bewegen könnte. Dass Hun Sen sich davon aber zu Maßnahmen bewegen lässt, die seine Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten, gilt als unwahrscheinlich.

Außerdem gibt es vielleicht auch noch Hoffnung für den Premier, dass sich Donald Trump zu Lockerungen hinreißen lässt. In einer Frage, die dem Präsidenten wichtig ist, kommt man den USA nämlich nun entgegen: Vergangene Woche gaben die Einwanderungsbehörden Kambodschas bekannt, dass man rund 70 Flüchtlinge aus den USA zurücknehmen werde. Sie waren vor langer Zeit vor den Roten Khmer geflohen. Die USA wollten sie trotz der Sorgen um Demokratie und Menschenrechte abschieben. (Manuel Escher, 12.12.2017)