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Nach dem Besuch bei Syriens Präsident Bashar al-Assad ...

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... ging es für Wladimir Putin zu Abdelfattah al-Sisi nach Kairo.

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Abends wartete Tayyip Erdoğan in Ankara.

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Noch am Vortag hatten Beobachter erwartet, dass sich die Reise vor allem um die Jerusalem-Krise drehen würde. Doch dann überraschte er einmal mehr die internationalen Auguren: Als Wladimir Putin Freitagfrüh überraschend im syrischen Latakia eintraf, war klar, dass bei der Orientreise des Kremlchefs auch Weichen für die Zukunft des Bürgerkriegslandes gestellt werden sollten. Nach der Landung lobte der russische Präsident zunächst seine Truppen. Dann kündigte er deren stufenweisen Abzug an: "Ihr kehrt mit einem Sieg an den heimischen Herd zurück, zu euren Nächsten, zu Eltern, Frauen, Kindern und Freunden." Er habe Verteidigungsminister und Generalstab den Befehl zum Abzug gegeben. Die ersten Bomber landeten schon am Montag in Russland.

Putin lobte den "Mut, das Heldentum, die Ge- und Entschlossenheit, die glänzende Schulung und den Professionalismus" der russischen Militärs in Syrien. Das gemeinsame Vorgehen der russischen und syrischen Streitkräfte habe schließlich zum Sieg gegen den Terror geführt, sagte er.

Horrende Todeszahlen

Den Teilrückzug hatten russische Regierungsmitglieder schon in den vorigen Wochen angedeutet. Letztlich kam er dennoch fast genauso unerwartet wie zwei Jahre zuvor der offizielle Einsatz Russlands im Bürgerkrieg: Im Herbst 2015 verkündete Putin den Beginn der vorwiegend aus Luftschlägen bestehenden Militäroperation.

Offiziell bestätigte das Verteidigungsministerium in der Zeit den Tod von etwa 40 Russen im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Laut Medienangaben liegt die Zahl bei über 60 Toten. Zugleich meldete der Chef der russischen Einheiten in Syrien, Sergej Surowikin, die "Vernichtung von über 32.000 Terrorkämpfern".

Trotz der Ankündigung Putins wird das russische Militär Syrien nicht ganz verlassen. Zwei Stützpunkte – neben der Luftwaffenbasis in Hmeimim auch der Flottenstützpunkt Tartus – bleiben unter ständiger russischer Kontrolle.

Kein völliges Ende des Einsatzes

Laut dem Chef des Sicherheitsausschusses im Föderationsrat Wiktor Bondarew bleiben dort neben Kampfbombern, Jagdflugzeugen und Heeresfliegern auch Einheiten der Luftabwehr stationiert. Seit dem Abschuss einer Su-24 Ende 2015 durch ein türkisches Flugzeug hält Russland in Syrien Luftabwehrraketen vom Typ S-400.

Putin machte hingegen deutlich, dass bei einem Wiedererstarken islamistischer Kräfte in Syrien auch das russische Militär schnell wieder aufgestockt werden könne. Mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, der Putin auf dem Flughafen empfing, besprach der Kremlchef zunächst aber vor allem den weiteren politischen Prozess. Unter der Schirmherrschaft Moskaus, Ankaras und Teherans laufen in Astana schwierige Verhandlungen über eine Übergangsregierung zwischen dem Assad-Regime und bewaffneten Rebellengruppen.

Auch bei den Gesprächen in Kairo, wo Putin etwas später eintraf, stand dann Syrien im Mittelpunkt: Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi unterstrich nach der Unterredung, dass beide Länder in Syrien und in Libyen politische Lösungen anstreben würden und dieselben Vorstellungen hätten. Putin wurde etwas konkreter. Er erklärte, Sisi habe ihm Hilfe bei der Erweiterung der Deeskalationszonen in Syrien zugesagt und unterstütze das russische Vorhaben eines nationalen Dialogs.

Putin sprach sich darüber hinaus für eine sofortige Wiederaufnahme direkter israelisch-palästinensischer Gespräche aus, während Sisi in Fragen Jerusalems weniger konkret wurde: Ägyptens Regierung versucht das Thema im eigenen Land nicht allzu sehr hochkochen zu lassen – auch um den oppositionellen Muslimbrüdern keine Kampagnenplattform zu bieten.

Atomkraftwerke für Kairo

Für Sisi lag das Hauptaugenmerk auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Die beiden Staatsmänner, die mehrfach ihre enge Partnerschaft und Freundschaft betonten, verfolgten die Unterschrift der entsprechenden Minister unter dem Vertrag zum Baubeginn des ersten ägyptischen Atomkraftwerkes in Dabaa an der Mittelmeerküste – ein Prestigeprojekt für Ägypten. Putin versprach zudem bis zu sieben Milliarden Dollar russische Investitionen in der Industriezone am Suezkanal.

Ein Atomkraftwerk wird Russland auch an der türkischen Mittelmeerküste bauen. Das Projekt in Akkuyu – sehr umstritten wegen seiner Lage am Meer und in einer Erdbebenzone – stand in Ankara auf der Gesprächsliste am Ende von Putins langem Reisetag. Das bereits dritte Treffen zwischen dem russischen Präsidenten und seinem türkischen Kollegen Tayyip Erdoğan innerhalb eines Monats war kurzfristig anberaumt worden. Der Teilabzug in Syrien und die neue Krise in Nahost um die Anerkennung Jerusalems durch die USA waren dieses Mal die entscheidenden Themen. In dem Maß, wie sich Ankaras Beziehungen zu den USA verschlechtern, wird Russland zum wichtigen Partner für die Türkei. So scheint es zumindest.

Türkisch-russisches Bündnis

"Im Moment ist es eine taktische Allianz, keine strategische Annäherung", sagt Jean Marcou, ein französischer Türkei-Experte und Professor für Politikwissenschaft an der Universität von Grenoble. Marcou weist auf die Differenzen hin, die es zwischen Ankara und Moskau in Osteuropa, im Kaukasus und auch im Syrien-Krieg gibt: Die Türkei erkennt nicht die Annexion der Krim an; Russland unterstützt Armenien militärisch; in Syrien arbeitet auch Russland mit der kurdischen Miliz YPG zusammen und ist natürlich die wichtigste Stütze für das Regime von Bashar al-Assad. "Man kann an der Langlebigkeit dieser Allianz zweifeln", stellt Marcou im Gespräch mit dem STANDARD fest. Die Mitgliedschaft in der Nato bleibe dagegen trotz aller Probleme derzeit die wichtigste Achse der türkischen Außenpolitik.

Mit der Rückkehr Russlands im Nahen Osten ändert sich gleichwohl die Lage für Erdoğans Türkei: Ein Spieler mehr ist auf der Bühne. Erdoğan nannte die Anerkennung Jerusalems ein Werk der Evangelikalen in den USA und den laufenden Prozess in New York gegen einen türkischen Bankmanager wegen Bruchs der Iran-Sanktionen eine "Verschwörung gegen die Türkei". Das wird Putin wohl gern gehört haben. (André Ballin aus Moskau, Astrid Frefel aus Kairo, Markus Bernath, 11.12.2017)