Ehe der Physiker Rainer Weiss seine Nobel Lecture Freitagfrüh begann, bedankte er sich bei allen Mitgliedern der Ligo- und der Virgo-Collaboration und forderte die Zuschauer auf, ihnen zu Ehren aufzustehen. "Ohne sie würden wir hier nicht stehen", meinte der 85-Jährige mit der geistigen Frische eines Postdoc. Weiss wird am kommenden Sonntag gemeinsam mit Kip Thorne und Barry C. Barish der diesjährige Nobelpreis für Physik überreicht. Die Auszeichnung erhalten die drei Forscher für den ersten direkten Nachweis der von Albert Einstein vorhergesagten Gravitationswellen. Er gelang im Herbst 2015 in den Observatorien von Ligo und Virgo. Weiss selbst hat ihn gemeinsam mit Thorne und dem bereits verstorbenen Briten Ron Drever in den frühen 1990er-Jahren initiiert.

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Physik-Preisträger Barry Barish, Kip Thorne und Rainer Weiss (von links)
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Wie jedes Jahr wird die Verleihung durch Schwedens König Carl XVI. Gustaf auch heuer am Todestag des Stifters Alfred Nobel, also am 10. Dezember, durchgeführt. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen SVT überträgt diese Feier. Ein Pflichtprogramm für Traditionalisten wie der Opernball im österreichischen Fernsehen.

Neugier als Grundlage

In den Tagen davor gibt es – auch in Schulen – einige Veranstaltungen zu Ehren aller Nobelpreisträger: je drei in Medizin, Physik, Chemie, einer in Literatur, Wirtschaft sowie in Bemühungen um Frieden. Im Nobel-Museum in der Altstadt Stockholms diskutierten der venezolanische Dirigent Gustavo Dudamel und Frank Wilczek, Physik-Laureat von 2004, über "The Changing Power of Music and Science". Dabei wurde an pathetischen Beschwörungen von Eigenschaften wie Kreativität und Neugier nicht gespart.

"Das ist die Basis, um die Fragen der Menschheit zu klären." Neugier als Grundlage und Antrieb der Forschung beschwor auch die Präsidentin der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften, die Chemikerin Christina Moberg, in ihrer kurzen Ansprache am Freitag. Was das in der täglichen Arbeit an Universitäten und in Labors bedeutet, darin gaben alle neun wissenschaftlichen Nobelpreisträger in ihren öffentlichen Lectures einen Einblick.

Anekdotenreiche Lecture

Mit großer Begeisterung erzählten sie – Wissenschafter wie der deutsch-amerikanische Chemie Joachim Frank , ausgezeichnet für die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie– von ihren Forschungen, streuten Anekdoten ein und berichteten auch von aktuellen Interessen – wie etwa der 1944 geborene Chronobiologe Michael Rosbash, der gemeinsam mit seinem langjährigen Weggefährten und Freund Jeffrey C. Hall sowie Michael Young für die Erforschung der biologischen Grundlagen der inneren Uhr den Medizinnobelpreis erhält.

Medizinnobelpreisträger am Karolinska-Institut: Michael Young, Michael Rosbash und der unverkennbare Jeffrey C. Hall (von links).
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Hall trat während der Pressekonferenz mit einem für ihn typischen Hut auf, mit dem er an den amerikanischen Sezessionskrieg erinnern will. Er soll Unmengen davon besitzen. Hall war dann auch der Garant für ironische Zwischenbemerkungen. Vor Journalisten sagte er auf die erwartbare Frage nach dem Jetlag: "In Schweden ist es jetzt 14 Uhr, meine biologische Uhr steht auf acht Uhr früh, wäre ich jetzt müde, wäre das eine billige Ausrede." Und in seiner Lecture in der Aula Medica des Karolinska-Instituts meinte er zur Erbauung der etwa tausend Zuhörer, dass PIs, also Principal Investigators wie er oder seine Co-Laureaten, selten die Arbeit machen. Sie käme von den AIs, den Active Investigators. Den Preis sollten nicht nur die drei Herren, sondern auch die Fruchtfliege Drosophila melanogaster erhalten. Ohne sie hätte er nicht forschen können. (Peter Illetschko aus Stockholm, 9.12.2017)

Chemie-Preisträger für wesentliche Beiträge zur Kryo-Elektronenmikroskopie: Richard Henderson, Joachim Frank und Jacques Dubochet
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