Abnabelungsversuch mit geschmolzenem Familiensilber: Janine Antoni, "Umbilical", 2000.

Foto: Charim Galerie

Performancekunst, das hat die nächste Kuratorin des Österreich-Pavillons in Venedig, Felicitas Thun-Hohenstein, immer wieder bewiesen, ist eine von ihr bevorzugte Kunstrichtung. Handlungsbetont, körperbezogen und ephemer, also vergänglich – so ließen sich Performances auch noch bis spät in die 2000er-Jahre umschreiben. In der von ihr kuratierten Ausstellung in der Galerie Charim trägt sie nun der Tatsache Rechnung, dass sich die (Performance-)Kunst angesichts der Übermacht des Virtuellen auch auf das Material besinnt.

Das Bühnenhafte kommt in der Schau Material Traces dennoch nicht zu kurz: Das hat auch mit dem Raumkonzept von Julian Göthe zu tun. Seit mehreren Jahren beschäftigt sich der Professor an der Akademie der bildenden Künste mit Bühnen- und Raumbildern, die er zuletzt immer mittels Perlonseil abstrahiert hat. Seine Wandinstallationen bilden nun den Rahmen für die künstlerischen Werke, die überwiegend aus weiblicher Hand stammen.

Beispielhaft für das Entstehen einer Skulptur aus einer Aktion ist ein Objekt von Janine Antoni: Ausgangspunkt war das geerbte Familiensilber, das sie zunächst einschmelzen ließ. Nur ein Löffel blieb übrig. Er fungiert nun als Bindeglied zwischen Fragmenten ihrer ebenfalls in Silber gegossenen Mundhöhle und der sie fütternden Hand ihrer Mutter.

Gestickter Lichtkegel

Umbilical, also Nabel, nannte die Künstlerin ihren Abnabelungsversuch, der nicht nur formal der Keramik von Kris Lemsalu gleicht: Immaterial Material Love, so der Titel ihrer "Schale", vermittelt zunächst Vertrautheit; bei näherer Betrachtung wirkt die Oberfläche (mit Krabbeltieren, einer Zunge und einem angeknabberten Ohr versehen) gar nicht mehr so glatt. Mit Arbeiten Lynda Benglis' (Keramik) und Ingrid Wieners wurden auch Vorläuferinnen versammelt: Wiener legt mit einem Webstuhl und ihren ungewöhnlichen Gobelin-Entwürfen eine thematische Spur.

Auf das traditionell weibliche Handwerk hat schließlich auch Katrina Daschner immer wieder zurückgegriffen: In der Galerie Charim verweist ein gestickter Lichtkegel auf ihre performativen Filme. Neben Katrina Daschner und Roberta Lima vertritt aber auch Carola Dertnig die Performancekunst im engeren Sinne. Dertnig stellt das in der Videoperformance an exile eindrucksvoll unter Beweis. Von Dertnig ist aber auch die Skulpturengruppe Felden_kreis zu sehen: Es handelt sich dabei um selbstgebogene Aluminiumrohre, die vom Sitzen vor dem Computer, von Schmerzen im Rücken und notwendiger Bewegung erzählen.

Im selben Raum wähnt man sich mit einer regalähnlichen Skulptur von Barbara Kapusta und dem von Barbara Hainz in Tischen verdichteten Persönlichen irgendwann in einem Wohnzimmersetting für ein Theaterstück. Wäre man angehalten hier etwas aufzuführen, müssten Faustabgüsse (Barbara Kapusta), Kim Gordon (Constanze Schweiger) und Negativbilder von Fesselgeräten (Dorit Margreiter) Teil des Dramentextes sein. (Christa Benzer, 2.12.2017)