Selbstinszenierung im Atelier: Toni Schmales Selbstporträt "loch ist loch" (2017).

Foto: Toni Schmale

Teil von Toni Schmales Diplom: "kontaktgrill" (2013).


Foto: Gabriele Edlbauer, Galerie Christine König

Wien – Stahl: pulverbeschichtet, sandgestrahlt, feuerverzinkt, brüniert, erhitzt oder gewachst. Stahl ist neben Beton das wichtigste Material im Werk von Toni Schmale. Schwer und monumental sind die daraus entstehenden Skulpturen, stehen frei im Raum; und im Zusammenspiel von Röhrenformen, Balken, Rastern, Zylindern entsteht der Eindruck von Funktionalität, ja, von Maschinen. Als "Maschinen, die Begehren in sich tragen", beschrieb Schmale ihre Skulpturen einmal selbst. Gemeinsam mit provokanten Titeln wie streckbank martha oder kontaktgrill können sie aber durchaus Assoziationen von Drill oder gar Folter beschwören.

Seit 2009 lebt die gebürtige Hamburgerin (Jg. 1980) in Wien, studierte an der Akademie der bildenden Künste bei Monika Bonvicini. "Alles, was sie anfasst, wird zu Gold", schwärmt die frischgebackene Biennale-Venedig-Kuratorin Felicitas Thun-Hohenstein. Für ihren beeindruckenden Maschinenpark erhält Toni Schmale heute den renommierten Msgr.-Otto-Mauer-Preis der Erzdiözese Wien (11.000 Euro).

Schwere. Härte. Es sind extrem männlich besetzte Begriffe, die ihr Schaffen zu fassen suchen. Aber ist da nicht vielleicht auch etwas anderes, weniger Vordergründiges, vielleicht gar etwas Zerbrechliches? "Die Skulpturen sind ja auch total zerbrechlich!", betont Toni Schmale im STANDARD-Gespräch sehr nachdrücklich. Für sie war es nicht zwingend, mit Stahl und Beton zu arbeiten, um männliche Zuschreibungen aufzubrechen. Stahl als Material finde sie schlicht "super", weil man damit extrem gut arbeiten, es dehnen, biegen, erhitzen kann. "Man weiß beim Stahl, was man hat." Bestellt man ein 60-Millimeter-Präzisionsrohr, bekommt man das auch. Auf Normmaß sei Verlass.

Von innen nach außen

In ihrer neuesten Werkserie 170 grad 400 grad reizt Schmale die Möglichkeiten des Stahls aus, strapaziert ihn durch extreme Hitze. Durch eine Strukturveränderung tritt von innen eine andere schillernde, sogenannte Andersfarbigkeit an die Oberfläche. Genau das sucht man in der Industrie zu vermeiden, weil der Stahl, der eigentlich widerstandsfähiger werden soll, so angreifbarer wird. Schmale reize aber diese Veränderung, "weil sie von innen nach außen stattfindet".

Die Rohre aus nunmehr farbigem Stahl werden von Händen aus Beton gehalten: "Ich hatte eine Fragmentierung von Körpern im Sinn." Inspiriert hat Schmale die Art, wie in der Münchner Glyptothek mit Leerstellen von Körpern umgegangen wird – dann, wenn von Figuren etwa nur ein Knie oder eine Hand übrig ist: Die Rekonstruktion mit Fragmenten und Edelstahlverbindungen dazwischen reiche, "um sich alle Formen von Körpern vorzustellen".

Spannend sei die Frage, was einen ganzen Körper ausmacht. Schmale geht es nicht um eine Abbildung von Körper, sondern eher um eine Projektion oder Imagination des eigenen Körpers in ein Objekt oder Subjekt. Dass sie dabei an Athena mit dem Speer, die Göttin des Krieges und der Gerechtigkeit, gedacht hat, deren Präsenz Schmale immer imponiert habe, passt wunderbar: "Sie hat so eine totale Stärke, soll aber absurderweise eine Kopf geburt von Zeus gewesen sein."

Die formalen Fragen der Bildhauerei, um die es der Künstlerin stark geht, treten aber oft in den Hintergrund. Häufig heißt es über Schmales Arbeit, sie verhandle Verhältnisse von Macht und Gewalt, von Dominanz und Unterwerfung, denn freilich ist es auch metaphorisch zu verstehen, wenn die "Verteilung von Kraft im Raum und das Ausbalancieren von Spannungsverhältnissen" von ihr verhandelt wird. Befeuert wird das auch von Titeln aus der Welt des SM – wie queening machine oder fisting – und dem queer-feministischen Background der Künstlerin, die stereotype Geschlechterkonstruktionen auflösen will.

Es gebe einfach Momente, an denen sich bestimmte Lesarten verselbstständigen, so Schmale. Ihr Diplom, das sich dezidiert mit der Dekonstruktion von Machtkonstellationen und Hierarchien beschäftigte, war so ein Punkt. Aber Symbole des SM verweisen für Schmale nicht primär auf Sexuelles, sondern auf einen Raum, in dem erst einmal nichts fix festgeschrieben, sondern prinzipiell alles möglich ist. Es sei ein Bild für die Möglichkeit, die man sich erlaubt, für einen bestimmten Zeitraum etwas Bestimmtes oder jemand Bestimmtes zu sein.

Auch der Umstand, dass Schmale einmal Profifußballerin war, beeinflusst die Interpretation: "Wenn der biografische Aspekt in meiner Arbeit so eine Dominanz kriegt und meine Skulpturen dann nur in so einem Sport- und Fitnesskontext gelesen werden, gefällt mir das gar nicht." (Anne Katrin Feßler, 29.11.2017)