Hollstein bezeichnet den glimpflichen Verlauf des Attentats als seinen dritten Geburtstag. Im Vorjahr erst hatte er eine Krebserkrankung überstanden. Der 54-Jährige will in der Asylpolitik bei seinem Kurs bleiben.

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Andreas Hollstein (54) will am Montagabend einen Döner holen. Als der CDU-Politiker in seiner Heimatstadt Altena (17.000 Einwohner) an der Theke des Ladens steht, tritt ein alkoholisierter Mann an ihn heran und fragt: "Sind Sie der Bürgermeister?" Hollstein bejaht, dann hat er die Klinge am Hals. Der Unbekannte sticht zu und gibt dabei als "Begründung" an: "Sie lassen mich verdursten und holen 200 Flüchtlinge nach Altena."

So wurde die Szene am Dienstag bei einer Pressekonferenz geschildert – und zwar von Hollstein selbst. Dank des Eingreifens des Ladenbesitzers Demir Abdullah und dessen Sohn überstand der Kommunalpolitiker den Angriff.

Er selbst wollte die Öffentlichkeit über das Geschehen informieren und damit gleich eine Botschaft verknüpfen: "Ich werde weitermachen und mich einsetzen für Geflüchtete und sozial Schwache, wie es die Aufgabe jedes guten Bürgermeisters ist."

Hollstein war im Mai von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Nationalen Integrationspreis ausgezeichnet worden, weil er sich dafür eingesetzt hatte, dass seine Kommune im Sauerland mehr Flüchtlinge aufnimmt, als sie eigentlich hätte nehmen müssen: 372 statt 270.

Zum Konzept der Stadt zählt die Unterbringung von Flüchtlingen in eigenen Wohnungen mit Nachbarschaftskontakt statt anonymer Sammelunterkünfte. Zudem steht jeder Flüchtlingsfamilie ein eigener "Kümmerer" zur Seite. Hollstein holte die Flüchtlinge aber auch, weil Altena so schnell schrumpfte wie keine andere westdeutsche Stadt.

Merkel sagt: "Ich bin entsetzt über den Messerangriff auf Bürgermeister Andreas Hollstein und sehr erleichtert, dass er schon wieder bei seiner Familie sein kann."

Kein Platz für Gewalt

Justizminister Heiko Maas (SPD) twittert: "Dürfen niemals akzeptieren, dass Menschen attackiert werden, nur weil sie anderen helfen. In unserem Land darf kein Platz sein für Hass und Gewalt." Er hege "keinerlei Hass gegen den Täter", sagt Hollstein, auch wenn er um sein eigenes Leben gefürchtet habe.

Der ihm unbekannte Mann sei "durch Brunnenvergiftung zum Werkzeug geworden". Jeder Politiker, der sich für Flüchtlinge einsetze, erlebe in den sozialen Medien Hass. Tätlich angegriffen worden sei er aber bisher nicht, so Hollstein. Er ist seit 1999 Bürgermeister der Kleinstadt, zuletzt wurde er 2014 mit knapp 70 Stimmen im Amt bestätigt.

Hollstein will weitermachen und betont: "Ich stehe mit meiner Persönlichkeit und meinem Selbstverständnis gegen Hass ein." Genesungswünsche bekam er auch von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), die 2015 von einem Rechtsextremisten durch einen Messerangriff schwer verletzt wurde.

Zwar sieht die Polizei Fremdenfeindlichkeit als Motiv für den Angriff. Eine Verbindung des mutmaßlichen Täters in die rechte Szene hat sie bisher nicht gefunden. Laut Staatsanwaltschaft hat der mutmaßliche Täter – ein 56-jähriger arbeitsloser Maurer – psychische Probleme und war mit 1,1 bis 1,2 Promille alkoholisiert. Seine "Spontantat" mit einem Messer mit 22-Zentimeter-Klinge wertet sie als versuchten Mord. Der Mann, über den am Dienstag U-Haft ausgesprochen wurde, habe in Tötungsabsicht gehandelt. (Birgit Baumann aus Berlin, 28.11.2017)