Feriale Übung für den entspannten Ruhestand: Hans Niessl selfiet vor den Krker Wasserfällen den Drei-Tage-Übungsvollbart, um zu zeigen: Habt keine Angst.

Foto: Hans Niessl

Im Trott des grauen Arbeitsalltags: Hans Niessl, flankiert von Norbert Darabos (links) und Peter Kaiser.

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Und am Ende lauert lockend, was man sich als Freiheit imaginiert. So ist das wohl mit allen fleißigen Menschen, wenn sie, noch werktätig, sich ein Bild machen von ihrem Ruhestand. Bei Politikerinnen und Politikern ist das nicht anders.

Auch wenn die es sich zuweilen recht wohlig – wenn auch unzutreffend – in einer Art Unersetzlichkeitsneurose eingerichtet haben. Die Parteiengeschichte ist voll von Übergabedramen. Denn viele ins quasi Sakrosankte entwichene Machtpersonen glauben ja – im Gegensatz zum burgenländischen Bundeskanzler Fred Sinowatz, der gemeint hatte: "Ohne meine Partei bin ich nichts" –, ohne sie wäre ihre Partei nichts.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die gerade aktuellen Übergabedramen (sind es Tragödien, sind es Komödien?) einzeln nachzuzeichnen. Aus pannonischer Sicht soll es genügen festzuhalten, dass dem Hans Niessl reichlich traurige Beispiele vor Augen stehen, sodass er sich wohl schon im Sommer dazu durchgerungen hat, das Ende seiner aktiven Laufbahn in Auge zu fassen. Der durchwachsene Wahlherbst ließ die Absicht zum Entschluss reifen.

Erbhofbauer und Ahnlstube

Hans Niessl wird – vorausgesetzt, das geht auch mit des Herrgotts Plan zusammen – in einem Jahr in Pension gehen. Oder besser: ins Ausgedinge. Michael Häupl, Niessls großstädtischer Amts- und Parteikollege, mag ja kein Erbhofbauer sein. Hans Niessl ist so einer aber schon.

Und darum scheint nun alles so wohl geregelt. Beim Notar war man gewissermaßen schon, die Übergabe ist faktisch vollzogen. Der Altbauer wird nur noch den Vorsitz der Landeshauptleute-Konferenz führen im zweiten Halbjahr 2018; dann geht's ab in die Ahnlstube.

Dort wird er – Erbhofbauer hin, Erbhofbauer her – auf den Michael Häupl treffen. Der ist zwar wohnsitzmäßig eh ein halber Burgenländer, ideologisch aber alles andere als das. Und so werden die beiden Altbauern Zeit finden mitzuverfolgen, wie die unterschiedlichen roten Politikentwürfe sich dann weiter entfalten. Oder eben nicht.

Stadt und Land

Denn das wird ja tatsächlich eine der großen, spannenden Fragen nicht nur, aber vor allem der SPÖ: Wie lassen sich urbane und rurale Herausforderungen über einen Parteikamm scheren? Wenn oft schon das normale Politreden so irritiert. In Wiener Ohren klingt es wohl mehr als merkwürdig, wenn Hans Niessl und die Seinen in einem fort von "unserem Heimatland Burgenland" sprechen; und das taten sie schon, da war von Rot-Blau noch gar nicht die Rede.

Auf Hans Peter Doskozil, den Jungbauern, wartet also einige Arbeit. Entlang des pannonischen Wahlspruchs "Opposition ist Mist" müssen Doskozil und sein Team eine ländlich-sozialdemokratische Pragmatik entwickeln.

Ohne gleich – was ja denkbar wäre – der österreichischen Sozialdemokratie eine CSU-Variante antun zu müssen. Obwohl: Laptop und Lederhose auf Pannonisch – das hätte schon was. Mit ein bisserl "Fantasie und Fiata" ließe sich da schon was basteln für eine rote "Zukunft in Csizmen".

Wolpertinger und Wollmilchsau

Mit Doskozils "Die SPÖ muss sich gesellschaftspolitisch liberal, sozialpolitisch links, wirtschaftspolitisch pragmatisch und in Sicherheitsfragen konsequent positionieren" ist da jetzt eher noch ein Wolpertinger in den Stall getrieben worden. Der ist allerdings eh nicht unähnlich der städtischen, vom baldigen Oppositionsführer Christian Kern ins Spiel gebrachten eierlegenden Wollmilchsau, von der man sagt, sie repräsentiere die "progressive Mitte", also die "Partei der 95 Prozent".

Am diesbezüglich realistischsten erscheint vorderhand noch Michael Häupl, der den Wahlspruch seiner Stadt für seine Partei so abwandelt: "Die SPÖ ist die SPÖ." Aber selbst da darf sich natürlich niemand sicher sein.

Hauen und stechen

Während in Wien das Hauen und Stechen um die Häupl-Nachfolge ins Finale geht, hat im Burgenland die sozialdemokratische Selbstfindungsgruppe ihre Arbeit schon aufgenommen. Unlängst sammelte Doskozil die "Reformgruppe" um sich. Die erste Sitzung leitete noch der Altbauer. Dann wird er, verspricht er, diesbezüglich kürzertreten.

In dieser Reformgruppe richtet sich die Partei, die seit 1964 den Landeshauptmann stellt, neu ein; oder aus oder her oder ab oder zu oder auf. Neben der neuen Klubobfrau und Mattersburger Bürgermeisterin Ingrid Salamon (59), ihrem Klubdirektor Christian Stiller (48) und dem Bürgermeister von Neutal, Erich Trummer (50), hat Doskozil hier vor allem die ganz junge Generation – die Führungsgarnitur seiner künftigen Mannschaft wohl – um sich geschart: Landesrätin Astrid Eisenkopf (33), Parteigeschäftsführer Christian Dax (29) und Niessl-Sprecher Herbert Oschep (35).

Heimat und SPÖ

Ziel ist es, so vernimmt man aus dieser Gruppe, die pannonische SPÖ nicht bloß inhaltlich, sondern auch strukturell und organisatorisch so zu stärken und zu straffen, dass sie ihre alte Schlagkraft und Laufbereitschaft bis ins kleinste Dorf und quer durch alle Teilbereiche zurückgewinnt. Denn in den vergangenen Jahren sei das – immer die große Stärke der pannonischen SPÖ – etwas ausgeleiert gewesen. Da und dort habe gar eine gewisse Schrebergärtnerei Einzug gehalten.

Es gibt auch solche, die glauben, dass beides auch, so nicht vor allem, die Folge einer Art innerer Emigration gewesen sei. Der Altbauer habe ein gestrenges Regiment geführt und halt nur die Seinen auf den Acker gelassen. Da sei einiger Unmut im Schatten der Windschutzgürtel gewachsen.

Es gehe also in der Reformgruppe auch darum, nicht nur den Burgenländern ein "Heimatland Burgenland" zu bieten, sondern den roten Burgenländern wieder eine "Heimat SPÖ".

Waldorf, Statler, Selfie

Ein großes Störpotenzial, das man sowohl in der großen Stadt als auch im kleinen Land für möglich hält, ist die Etablierung eines gewissen Waldorf-Statlerismus, also das meckernde Besserwissen aus der Ahnlstube heraus; das auf Dauer dann doch etwas nervige "Unterm Pröll (nur zum Beispiel, Anm) hätt's das nicht gegeben".

Hans Niessl übt aber bereits, den Jungen die einschlägige Angst zu nehmen. Um das den Jungbauern auch zu zeigen, hat er sich schon im Sommerurlaub einen Bart wachsen lassen, wie manche emeritierte Machtmenschen – Bruno Kreisky, Erhard Busek – das als Zeichen ihres Ruhestands und der damit verbundenen, nun ohne Termindruck genießbaren Freiheit zu tun pflegen. Das ist gewissermaßen das Ellalätsch der Alten gegenüber der Jungspund-Geschäftigkeit. Eine Garantie freilich ist so ein schöner Vollbart auch nicht.

Hans Niessl aber wird uns vielleicht auch diesbezüglich eh auf dem Laufenden halten. Seit längerem hat er ja den Reiz der Selbstablichtung entdeckt. Man kann sogar sagen, er ist ein sehr begabter Selfiemade-Man. Man scrolle selber. (Wolfgang Weisgram, 28.11.2017)