Wien – Die Stadt, in der sich Schicksale kreuzen, ist für Literatur und Film seit jeher ein Schauplatz der ungeahnten Möglichkeiten. Verführerisch und vielfältig sind die Gelegenheiten, die sich für die Erzählung auftun, wenn sich lose Handlungsstränge zu einem komplexen Geflecht verbinden.

Die Freiheiten von Pari, ihrem Sohn Elias und ihrer Nachbarin Sara halten sich in engen Grenzen. Ein abendlicher Restaurantbesuch bleibt in "Teheran Tabu" die Ausnahme.
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Diesem sogenannten Short-Cuts-Prinzip folgt auch Teheran Tabu: Vier junge Menschen begleitet der Film des in Deutschland lebenden gebürtigen Iraners Ali Soozandeh durch ihren Alltag. Ort des Geschehens sind überwiegend die Straßen, Plätze und Nachtclubs Teherans, das Soozandeh als pulsierende Metropole zeichnet. Doch dieser Alltag folgt seinen eigenen Gesetzen, die der Gottesstaat seinen Bürgern vorschreibt. Teheran Tabu erzählt vom Kampf des Einzelnen innerhalb eines Systems, das die Handlungsräume einengt.

Da wäre etwa Pari, deren im Gefängnis sitzender Mann sich weigert, die Scheidungspapiere zu unterzeichnen, weshalb die junge Mutter versucht, als Prostituierte über die Runden zu kommen – und in den Fängen des für sie zuständigen Richters landet. Ihre schwangere Nachbarin Sara wiederum muss sich mit ihrer streng religiösen Schwiegermutter auseinandersetzen. Der Musiker Babak hat nach einem One-Night-Stand ein völlig anderes Problem: Er muss das Geld für eine Operation auftreiben, um Danya wieder zur Jungfrau werden zu lassen.

Direkte Anklage

Anhand dieser locker miteinander verknüpften Geschichten entwirft Teheran Tabu sein offen zur Schau gestelltes Gesellschaftsbild, das von Doppelmoral, Angst und Machtmissbrauch geprägt ist. Soozandeh, der auch das Drehbuch verfasst hat, verzichtet auf subtile Andeutungen, sondern erhebt direkt Anklage. Teheran Tabu lässt weder Interpretationsspielraum, noch lässt er Fragen offen.

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Weil ein solcher Film selbstverständlich nicht in Teheran hätte entstehen können, hat Soozandeh auf das tricktechnische Verfahren der Rotoskopie zurückgegriffen: Gedreht wurde mit echten Schauspielern im Studio, die Hintergründe wurden danach mittels Animationsprogramm digital eingearbeitet. Das Ergebnis erinnert an Ari Folmans vielbeachteten dokumentarischen Trickfilm Waltz with Bashir über den Libanon-Krieg: Flächige Körper und Räume, satte, grelle Farbgebung, erhalten bleiben aber die realistischen Bewegungen der Schauspieler.

Eine Verfremdung, die gleichermaßen eine Identifikation mit den Figuren erlaubt und eine Distanz zu ihnen erzeugt, die aber auch als Mittel zum Zweck dienen muss: Dem Anspruch eines Realfilms würden die wenig ausdifferenzierten Erzählungen und eindimensionalen, stereotypen Charaktere nicht genügen.

Dennoch: Teheran Tabu wirft als deutsch-österreichische Koproduktion einen ungewohnten Blick von außen auf ein Land, dessen nonkonformistisches Kino meist nur über Umwege auf europäischen Festivals landet und das über Regisseure wie Jafar Panahi nach wie vor Berufsverbote und Haftstrafen verhängt. Ein Protestfilm, um, so Soozandeh, "das Schweigen zu brechen". (Michael Pekler, 28.11.2017)