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Brexit-Sorgen trüben die Lust auf Fish and Chips.

Foto: AP/Phil Mansfield

Mark Carney, Chef der britischen Notenbank, unternahm Anfang November einen historischen Schritt. Seit 2007 verharrte der Leitzins auf dem Rekordtief von 0,25 Prozent. Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt erhöhte die Bank of England (BoE) den Zinssatz um 0,25 auf 0,5 Prozent. Die Reaktionen der Finanzmärkte waren erstaunlich.

Eine Zinserhöhung sollte die Landeswährung stärken, doch das Pfund fiel gegenüber dem Dollar um ein Prozent und der Euro stieg gegenüber dem Pfund um einen Cent auf 1,12 Euro. Gleichzeitig stiegen die Kurse an der Börse. Der Londoner Leitindex FTSE 100 schloss am Tag nach der Zinserhöhung mit einem Allzeitrekordhoch von 7560 Punkten.

Der Grund für die leichte Abwertung beim Pfund: Die Märkte hatten mehr erwartet. Nicht unbedingt einen größeren ersten Zinsschritt, aber doch Signale, dass die BoE weitere Erhöhungen plant und die Zwei-Prozent-Marke bis Mitte 2021 anpeilt. Stattdessen stellte Carney nur zwei weitere Viertelprozenterhöhungen bis 2020 in Aussicht – und das nur, wenn es die Brexit-Verhandlungen erlauben.

Reaktionen auf politische Entwicklungen

Für die britische Volkswirtschaft hat sich in diesem und wird sich wohl auch im nächsten Jahr alles um den Brexit drehen. Das Pfund ist dabei der Kanarienvogel in der Mine. Die Finanzmärkte reagieren äußerst sensibel auf politische Entwicklungen, die entweder einen weichen oder harten Brexit nahelegen. Signale, dass der Brexit weicher ausfallen oder dass es zu einer längeren Übergangsphase nach erfolgtem Austritt im März 2019 kommen könnte, lassen das Pfund steigen.

Signale, die auf einen harten Brexit mit britischem Ausstieg aus Binnenmarkt und Zollunion oder gar auf einen sogenannten Klippen-Brexit hindeuten, bei dem es zu keinem Deal mit der EU kommt, lassen die Landeswährung in den Keller rauschen.

Nimmt man diesen Gradmesser, ist die Stimmung nicht optimistisch. Seit der Referendumsentscheidung im Juni 2016 ist das Pfund gegenüber dem Dollar und dem Euro um rund 15 Prozent abgesackt. Gleichzeitig, und das ist ein paradoxer Charakterzug der Londoner Börse, profitieren davon die Kurse. Der FTSE 100 setzt sich zu rund 70 Prozent aus global agierenden Unternehmen zusammen, die ihren Umsatz größtenteils im Ausland machen und ihre Produkte in Fremdwährung verkaufen.

Ein schwaches Pfund führt dabei zu einer höheren Bewertung der Unternehmen. Neben dem Währungsfaktor haben FTSE 100 und FTSE 250 heuer wie viele andere Börsen vom globalen Aufschwung profitiert, sei es aufgrund der Trump-Euphorie oder der Erleichterung über das schlechte Abschneiden der Rechtspopulisten bei den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden.

Trübe Aussichten

Der rund fünfprozentige Anstieg beim FTSE 100 in diesem Jahr reflektiert nicht unbedingt eine gesunde Verfassung der britischen Wirtschaft. Zwar ist die Arbeitslosigkeit zurzeit mit 4,3 Prozent erstaunlich niedrig, aber es zeigen sich dunkle Wolken am Horizont. Die Inflation ist aufgrund der Pfundabwertung auf drei Prozent gestiegen, während die Löhne nicht wachsen wollen, was der Binnennachfrage nicht hilft. Auch die Angst vor den negativen Folgen des Brexits drückt auf die Kauflust der Bürger. Der Einzelhandel geht von einem enttäuschenden Weihnachtsgeschäft aus.

Die Aussichten für 2018 sind nicht rosig. Die Unsicherheit über die künftige Handelsbeziehung mit der EU hat laut Tom Elliott, Investmentstratege bei der de Vere Group, "zu schwächerem ökonomischem Wachstum geführt. Investitionen werden aufgeschoben oder fallengelassen." Die EU-Kommission sieht für Großbritannien einen Rückgang des Wachstums auf 1,1 Prozent bis 2019, während im gleichen Zeitraum der Euroraum um 1,9 Prozent wachsen sollte. (Jochen Wittmann aus London, Portfolio 2017)