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Langläufer Wylegschanin konnte beim Langlauf-Weltcup in Kuusamo mitmischen.

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Der populäre Alexander Subkow, als Bobpilot hochdekoriert, war in Sotschi Russlands Fahnenträger. Nun ist er Präsident des dortigen Bob- und Skeleton-Verbandes.

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Wien/Lausanne – Die Skeleton-Piloten sind suspendiert, die Langläufer standen dagegen am Freitag bereits wieder an der Startlinie: Nach der Entscheidung des internationalen Bob- und Skeletonverbands IBSF ist die Verwirrung um die in den Doping-Skandal von Sotschi verwickelten russischen Sportler perfekt.

Einen Tag, nachdem der Ski-Weltverband FIS den sechs vom IOC lebenslang für Olympia gesperrten Langläufern um Sotschi-Sieger Alexander Legkow die Startberechtigung für den Weltcup erteilt hatte, urteilte die IBSF komplett entgegengesetzt und suspendierte vier Sportler inklusive Olympiasieger Alexander Tretjakow provisorisch für alle Rennen.

Bei den Fahrern handelt es sich neben Tretjakow um Bronze-Gewinnerin Jelena Nikitina, Olga Potylizina (5. Platz) und Maria Orlowa (6.). Das Quartett war am Mittwoch vom IOC lebenslang in allen Funktionen für Olympia gesperrt worden, Tretjakow und Nikitina müssen ihre Medaillen zurückgeben. Der Verband teilte mit, dass die betroffenen Sportler das Recht auf eine Anhörung hätten.

Verbands-Chef Subkow plötzlich selbst betroffen

Russland kündigte dann auch umgehend an, dieses Recht wahrnehmen zu wollen. "Momentan gibt es keine Beweise für die Schuld der Athleten", wurde Verbands-Präsident Alexander Subkow von der Nachrichtenagentur TASS zitiert: "Wir werden alles tun, um sie möglichst bald wieder im Weltcup zu sehen."

Nur wenige Stunden später war Subkow selbst einer der betroffenen Sportler. Der Bob-Pilot, der bei den Winterspielen 2014 Gold im Zweier und Vierer gewonnen hatte, wurde vom IOC ebenfalls lebenslang gesperrt und muss seine Medaillen abgeben. Subkow hatte in seiner Funktion als Verbandschef die Doping-Vorwürfe stets zurückgewiesen und sprach von "Verleumdung". Durch die Urteile aufgrund von forensischen Beweisen, die die Oswald-Kommission des IOC auf Grundlage des McLaren-Berichts zusammengetragen hat, erhöht sich die Zahl der disqualifizierten Russen auf 14.

Subkow betonte in einem Telefoninterview mit der Nachrichtenagentur AP, dass er nie gedopt habe: "Ich habe jahrelang auf diese Medaillen hingearbeitet. Alle meine Erfolge, alle meine Siege waren immer sauber und bleiben es auch. Sport ist zur Politik geworden." Er denke deshalb auch nicht an einen Rücktritt von seinem Amt als Präsident des russischen Bob-Verbandes.

Die Sanktion gegen ihn sei das Resultat der Arbeit "einer Kommission, die Beschlüsse ohne Grundlage oder Beweis fasst". Es sei ihm auch überhaupt keine Chance gegeben worden, seine Unschuld zu beweisen.

Genugtuung bei Letten und Schweizern

Lettlands Bob- und Skeletonverband hat mit Genugtuung auf die IOC-Entscheidung reagiert. "Die Wahrheit siegt. Dies beweist, dass alle Lügen und dunklen Machenschaften unweigerlich ans Licht kommen", sagte Verbandschef Zintis Ekmanis. Lettland darf sich Hoffnungen auf seine ersten Goldmedaillen bei Olympischen Winterspielen machen, sofern der Internationale Sportgerichtshof (CAS) die IOC-Urteile bestätigt. Nach der Disqualifikation von Subkow könnte der in Sotschi zweitplatzierte Viererbob von Oskars Melbardis auf den ersten Rang vorrücken. Im Skeleton dürfte Martins Dukurs nachträglich Olympia-Gold am grünen Tisch erhalten.

Das Zweierbob-Gold "erbt" wohl der Schweizer Beat Hefti. "Es ist schade, dass der Entscheid erst so spät gefallen ist", betonte der beim Weltcup im kanadischen Whistler weilende Hefti am Freitag. "Aber es freut einen schon."

Russen sprechen von "Betrug"

Zu den aktuellsten Fällen gehören neben Subkow und der Eisschnellläuferin Olga Fatkulina auch Bobpilotin Olga Stulnewa und Eisschnellläufer Alexander Rumjanzew. Auch sie wurden aus den Sotschi-Ergebnislisten gestrichen und lebenslang von Olympia ausgeschlossen. Insgesamt ermittelte die Kommission des IOC gegen 28 russische Athleten. Russlands Bob-Verband sprach in einer ersten Reaktion auf die lebenslange Sperre Subkows von "Betrug" gesprochen. Es sei "nicht möglich", mit dem IOC zu diskutieren, "außer vor Gericht". Deswegen werde man diesen juristischen Weg beschreiten, hieß es in einer offiziellen Mittelung am Freitagabend.

Die Oswald-Kommission, welche die verdächtigen russischen Sotschi-Starter entweder persönlich in Lausanne oder per Videokonferenz befragt, veröffentlicht momentan der Reihe nach ihre weiteren Sanktionen. Anlass der Untersuchungen waren zwei Berichte des kanadischen Rechtsprofessors Richard McLaren, der Russland staatlich orchestriertes Doping nachgewiesen hat. Mehr als 1000 russische Athleten sollen insgesamt profitiert haben. In Sotschi sollen russische Dopingproben mithilfe des Geheimdienstes manipuliert worden sein. Weitere Urteile sind zu erwarten.

Kein einheitliches Vorgehen

Die russischen Skilanglauf-Stars Maxim Wylegschanin und Jewgeni Below, beide vom IOC gesperrt, feierten in Kuusamo am Freitagmorgen nach ihrer fast einjähriger Zwangspause ihr Comeback – schieden aber beide in der Qualifikation aus. Die russischen Skeletonis müssen am Wochenende in Whistler/Kanada dagegen zuschauen. Nikitina hatte am vergangenen Samstag das Rennen in Park City gewonnen.

Bleibt die Frage, warum die beiden Verbände unterschiedliche Entscheidungen fällten. Nach Meinung des Sportjuristen Christof Wieschemann, Anwalt von Legkow, muss die Oswald-Kommission im Fall der Skeleton-Piloten neue Fakten vorgelegt haben. "Ansonsten wäre meiner Meinung nach eine weitere Suspendierung rechtswidrig", sagte Wieschemann.

Die vier jetzt betroffenen Skeletonis waren bereits bis Jänner suspendiert, ehe die IBSF diese aufhob. Für eine Suspendierung reicht bereits eine begründete Möglichkeit eines Vergehens, für eine Sperre ist die notwendige Beweislast deutlich höher. Die IBSF hatte bereits im vergangenen Winter hart durchgegriffen und unter anderem Sotschi die WM entzogen.

Entscheidung über Russland-Teilnahme naht

Das IOC betonte am Freitag zudem, dass die betroffenen Verbände die Möglichkeit gehabt hätten, an den Verfahren teilzunehmen und alle Beweise kennen würden. Am Montag werde das IOC zudem die erste Urteilsbegründung veröffentlichen. Am 5. Dezember entscheidet das IOC über einen Start Russlands bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang. Bei den Sommerspielen 2016 hatte das IOC trotz der bereits damals erdrückenden Beweislast gegen Russland noch auf diesen Schritt verzichtet. (sid, APA – 24.11. 2017)