Wien – Die Ausgangslage ist ein Klassiker: Ein schweigsamer Bandit jagt seinen Erzfeind. Leichen pflastern ihre Wege, Männer mit schmutzigen Stiefeln steigen über sie, Sporen klackern, an Hüften baumeln Colts, in Mundwinkeln kleben Zigaretten. Wir schreiben 1884, New Mexico. Die Luft ist voll Blei, und Männer sind richtige Männer. Western Time, folks!

Foto: Netflix

So weit folgt die Netflix-Serie Godless den schlichten Vorgaben des Westerngenres, wie es in Hollywood seit Beginn des Films tausendfach durchgespielt wurde. Hier kommt es anders, denn in ihrem Rachefeldzug bleiben die Cowboys nicht unter sich, sondern bekommen es mit einer fixen Damenschaft zu tun, die in der Stadt mit dem vielversprechenden Namen La Belle ein Weiberregiment führt. #MeToo ist hier jedenfalls anders zu interpretieren, und nicht nur deshalb spielt Godless im Rennen um die beste Serie des Jahres ganz vorn mit.

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Das Land zittert unter Frank Griffin, einem einarmigen Banditen (groß: Jeff Daniels) mit Kiefersperre und blindem Hass gegen seinen früheren Partner Roy Goode (Jack O'Connell). Die Suche nach dem Feind führt Frank nach La Belle, wo die Colts der Ladys rauchen, allerdings auch allerlei unmoralische Angebote im Umlauf sind, die den weiblichen Zusammenhalt bedrohen.

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Ihn zu schützen, steht in vorderster Reihe Mary Agnes (größer: Merritt Wever) und etwas außerhalb, aber nicht minder vehement Alice Fletcher (am größten: Michelle Dockery). Als Farmerin am Rande der Stadt ist sie zart wie Deborah Kerr und forsch wie Jane Fonda: "Gib' dich zu erkennen, oder ich schieße", sind ihre ersten Worte, worauf sie Taten folgen lässt, und das ist wirklich eine tolle Vorstellung im Jahr 2017.

Denn wie es aussieht, wird das Jahr als jenes erinnert werden, in dem Frauen zu sexuellen Übergriffen laut Nein gesagt haben. Dass nun, gegen Jahresende, in einer Serie die Damen durchladen, darf als weiteres Zeichen der Entschlossenheit Kunstschaffender gewertet werden, Frauen auch im Western das Recht auf John-Wayneisierung einzuräumen: "Wer eine Waffe besitzt, muss bereit sein, auch abzudrücken."

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In dem Stil ließ Ridley Scott schon 1991 Thelma & Louise verfahren und musste dafür Kritik für die bloße Umkehrung der Geschlechterbilder einstecken: Gewalt ist keine Lösung! Als ob es jemals darum gegangen wäre, aber Godless geht auch so weiter.

Frau am Abzug

La Belle ist nicht zwingend der gerechtere Ort, nur weil er von Frauen regiert wird. Die Stadtherrinnen haben nur etwas, von dem Männern oft nachgesagt wird, es würde ihnen fehlen: das Alzerl Intuition. Da stört es dann auch nicht, dass der Greißler in den Revolverlauf der Kundin schaut, nachdem er ein Kind angeschnauzt hat und im Hintergrund die nackte Irre durchs Bild flitzt. Eine Frau muss schließlich auch tun, was sie tun muss.

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Verantwortlich für so viel erhellendes Halbe-Halbe sind Steven Soderbergh und Scott Frank, letzterer führte auch Regie. Lange Zeit waren Westernserien im Fernsehen Wohlfühlprogramme, lahme Helden aus Bonanza und High Chaparral sorgten für Recht und Ordnung, manchmal floss sogar Blut. 2004 kam HBO mit Deadwood, und alles wurde anders. Der Goldrausch wurde zur Blutorgie, ähnlich räudig ging es 2011 in Hell On Wheels zu. Wie die Camperinnen beim Eisenbahnbau verbindet die Ladys in Godless eine Art Solidarität und Freundschaft.

Pferde, Prärie, Ringen mit dem großen Ganzen

Nicht zuletzt steht die siebenteilige Serie in einer Reihe mit den "Frauenserien" neuerer Generation wie Big Little Lies, Top of the Lake, The Handmaid's Tale und Alias Grace, in denen starke Frauen sich Prüfungen unterziehen müssen. Im Fall von Godless: Pferde, Prärie, Ringen mit dem großen Ganzen, Stadt der Frauen, wer lacht, ist tot. Noch einmal John Wayne: "Mut ist, wenn man Todesangst hat, aber sich trotzdem in den Sattel schwingt." (Doris Priesching, 25.11.2017)