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Die Koalitionsverhandler Kurz und Strache holen den Begriff "Heimatschutz" aus der historischen Mottenkiste.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader

"Bundesministerium für Heimatschutz": Wird so der zukünftige Name des jetzigen Innenministeriums lauten? Die Heimat soll von Schwarz-Blau-Türkis geschützt werden. Vor wem? Vor Ausländern, das ist klar; aber vor wem noch? Vielleicht auch vor Juden oder vor Sozialdemokraten? Warum nicht gleich vor allen Demokraten? Demokraten sind generell verdächtig.

Das lehren uns zum Beispiel die USA: Nach dem 11. September 2001 wurde dort auch ein Heimatschutzministerium ins Leben gerufen (Department of Homeland Security). Und für Trump und seine Follower sind alle demokratischen Medien verdächtig; von ihnen verbreitete Wahrheiten werden als "Fake" verteufelt. Die einzige Wahrheit besitzt der Präsident, der mit "Alternative Facts" das Volk manipuliert. Ein moderner Diktator, der mühselig durch die demokratischen Institutionen der USA in Zaum gehalten wird. Bis jetzt.

Heimatschutz, historisch betrachtet

Aber wir müssen gar nicht so weit schauen. In unserem eigenen Heimatland gab es bereits einen Heimatschutz, der nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie der Habsburger das kleine übriggebliebene "Deutschösterreich" vor – ja, genau – Demokraten schützen wollte. Insbesondere vor Sozialdemokraten. Das war vor nicht ganz hundert Jahren. Zunächst bildeten sich Bürgerwehren gegen die heimkehrenden radikalisierten Soldaten der sich auflösenden Armee, dann zunehmend zur Abwehr der vermeintlichen "roten Gefahr". Vor allem die westlichen Bundesländer fürchteten die Machtübernahme durch die Sozialdemokraten.

Die bewaffneten Heimatschutzverbände schlossen sich bald zur Heimwehr zusammen, die nach der Ausschaltung des Parlaments 1933 Teil der faschistischen Regierung von Dollfuß und Schuschnigg wurde. Österreich hatte seine christlichsoziale Diktatur, die fünf Jahre später im Nationalsozialismus endete. Waren Dollfuß und Schuschnigg wie auch Mussolini durch einen undemokratischen Putsch an die Macht gekommen, so wurden Hitler und Trump in demokratischen Wahlen gewählt, ebenso wie Kurz und Strache. Und alle hatten beziehungsweise haben das dringende Bedürfnis, die Heimat zu schützen.

Der Sprachwissenschafter Rudolf Muhr von der Universität Graz diagnostiziert im STANDARD eine "kontinuierliche sprachliche Aufrüstung" in der Politik. Die Ausdrucksweise in den sozialen Netzwerken "ist inzwischen ähnlich weit rechts wie in den Dreißigerjahren", sagt der Germanist. Dass ÖVP und FPÖ den Begriff "Heimatschutz" wieder aus der historischen Mottenkiste hervorkramen, hält er für Kalkül: Es soll damit Angst geschürt werden. Die europäische Wende von einer demokratischen zu einer faschistischen Ära scheint unaufhaltsam. (Wilhelmine Goldmann, 24.11.2017)