Wien – Douglas Hofstadter liebt Analogien. Der 72-jährige hagere Intellektuelle mit dem weißen Pilzkopf sieht in ihnen das "Herz des Denkens". Ihnen widmete er sein jüngstes, 2014 gemeinsam mit dem Wahrnehmungspsychologen Emmanuel Sander veröffentlichtes Werk. Auch sein berühmtestes Buch, Gödel Escher, Bach (1979), hat er in diesem Geist geschrieben. Eigentlich habe er damals, in den 1970er-Jahren eine Verbindung zwischen dem Unvollständigkeitsbeweis von Kurt Gödel und dem Menschen aufzeigen wollen, erzählt Hofstadter an einem Novembertag in einem Büro am Institut für Mathematik der Universität Wien.

Gödels Satz, wonach es in jedem System Aussagen geben muss, die weder bewiesen noch widerlegt werden können, ist zwar für den menschlichen Alltag irgendwie normal, aber so simpel können das weder Gödel noch Hofstadter gesehen haben. "Das Ich und die Schleife im Beweis von Gödel sind die gleichen Dinge", sagt der aus New York City stammende Hofstadter, und der ihm zuhörende Journalist lächelt verlegen, weil die Dinge, über die hier geredet wird, so gar nicht klar, eindeutig und parallel verlaufen.

Douglas Hofstadter am Institut für Mathematik der Uni Wien.

Der Wissenschafter ist höflich und versucht, die große umfassende Gedankenwelt seines Opus, an dem er fünf Jahre arbeitete, für das er auch den Pulitzer-Preis erhielt, weiter zu öffnen. Versucht zu erklären, warum letztlich der niederländische Grafiker Maurits Cornelis Escher und der Komponist Johann Sebastian Bach "dazugekommen sind", was das alles mit dem endlos geflochtenen Band zu tun hat, das im Untertitel beschrieben wird, was mit der Informatik, mit der er das schöpferische Werk aller dreier Geistesgrößen in Verbindung setzt. Die Frage, warum Hofstadter Dialoge zwischen Achilles und der Schildkröte nach einem literarischen Vorbild von Lewis Carroll schrieb, mit denen jedes Kapitel eingeleitet wird, ist dabei vergleichsweise einfach zu beantworten: Um Lesern wie seinem Interview-Gegenüber das Verständnis der 850 Seiten zu erleichtern.

Von den großen Ideen zu den Niederungen des Alltags: Hofstadter erzählt, was ihn gerade jetzt nach Wien geführt hat. "Ich wollte Freunde treffen und mein Deutsch verbessern", sagt er, der auch verweigerte, das Interview auf Englisch zu führen. "Das wäre ja eine Niederlage." Und was kommt danach? "Ich werde nach Schweden fahren, nach Uppsala, um mein Schwedisch zu verbessern." Nachsatz: Wer geht schon im Winter in ein kaltes Land wie Schweden? "Ich habe mir das extra so ausgesucht." Es überrascht jetzt nicht wirklich, dass Hofstadter danach – stets in Begleitung seiner Frau – nach China fährt, "um mein Chinesisch zu verbessern". Da gibt es schon einen konkreten Plan, nämlich ein Buch aus dem Chinesischen ins Englische zu übersetzen, aber Hofstadter erzählt davon wie ein Urlauber, der am Meer entspannte Tage verbringen will und noch nicht genau weiß, wann er zu einer Bootsfahrt aufbrechen wird. Schauen wir mal, wohin der Tag uns treibt.

Der Wissenschafter übersetzt nicht zufällig Bücher. Er macht es, weil er viele Sprachen spricht und weil er Bücher liebt – zum Beispiel Eugen Onegin, einen Versroman von Alexander Puschkin, die Vorlage für eine Oper von Pjotr Iljitsch Tschaikowski. "Dieses Buch habe ich auch übersetzt." Vorträge an Universitäten legen Zeugnis davon ab, dass er mit seinen Erzählungen darüber auch Zuhörer fesseln kann.

Der Universalgelehrte. Historische Aufnahme
polymathema

Spätestens jetzt kommt die Frage auf, was Hofstadter eigentlich von Beruf ist: Lange Zeit galt er als Informatiker, weil er Programmieren kann und Gödel, Escher, Bach als die Bibel des Computerzeitalters bezeichnet wurde. Der Autor selbst mag diese Schublade übrigens gar nicht gern, "weil ich immer weit weg von Nerds sein wollte. Ich will für vieles offen sein, das sehe ich bei Nerds nicht." Viele Medien bezeichnen ihn als Kognitionswissenschafter, weil er das Denken an sich analysiert und unter dieser Berufsbezeichnung wohl an der Indiana University aufzufinden ist. Aber auch in diese Lade passt er nicht wirklich hinein. Also was ist er denn nun wirklich? Hofstader sagt: "Ich habe einen Fuß in den Naturwissenschaften und einen in den Geisteswissenschaften." Vielleicht ist er einer der ersten Wissenschafter gewesen, die interdisziplinär arbeiten. Er musste aber nicht in die Cafeteria, um mit Wissenschaftern anderer Disziplinen über eine Frage zu reden, er hat sich all das Wissen selbst angeeignet.

Neuen Begriff erklären

Wahrscheinlich könnte man seinen Job, den er mit großer Leidenschaft ausführt, einfach nur mit "Denken" bezeichnen. Denken in Analogien, das ist für ihn auch Sprachen lernen. Einen neuen Begriff mit Worten erklären, die man kennt: So lernt man Fremdsprachen. Kinder machen das, wenn ihnen ein Wort in ihrer Sprache nicht einfällt. Ein Mädchen erzählt von einer Banane, die sie "auszieht", weil ihr das Wort "schälen" einfach nicht einfallen will. Einem Buben fällt das Wort Petersilie nicht ein, und er sagt triumphierend: "Schnittlauch mit Blättern dran."

Wie viele Sprachen Hofstadter spricht, will er gar nicht konkret beantworten, manche fließend, manche weniger. Er sagt nur: "Die Anzahl ist Pi" Also die unendliche Zahl 3,141 und so weiter. Englisch würde in dieser Antwort bei 3 liegen. Deutsch bei 0,8, Französisch vielleicht bei 2,4. Lachen im Raum, der Journalist und der Fotograf runzeln die Stirn. Aber Hofstadter besteht auf diese Antwort: "Ihr wollt ja immer Zahlen wissen." Auch bei einer anderen Zahlenangabe bleibt er ungenau. "Wie oft Gödel, Escher, Bach verkauft wurde, weiß ich eigentlich nicht. Ich habe nie nachgefragt, schätze aber 1,5 bis zwei Millionen Mal." Er lacht verlegen wie ein Kind, das dabei erwischt wurde, die Hausübung nicht gebracht zu haben.

Kritik an Trump

Klarer, aber auch pessimistischer wird Hofstadter nur, wenn es um Zukunftsszenarien geht. Den US-Präsidenten Donald Trump bezeichnet er als "gefährlich" und "dumm". Und ergänzt: "Ich bin nicht sicher, ob wir ihn überleben werden." Und die rasante Automatisierung des Alltags ist für ihn "my personal nightmare", wie er einen entsprechenden Vortrag in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nannte. Im Interview sagt er: "Es ist schlimm, wenn uns die künstliche Intelligenz so schnell wie bisher das Denken abnimmt, wenn wir von einem GPS-Signal an den richtigen Ort geleitet werden, wenn wir nur durch Google-Suche auf einen Namen kommen, statt selbst nachzudenken." Freunde von ihm würden seine Technikskepsis in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehen können.

Douglas Hofstadter liest aus seinem Buch "Gödel, Escher, Bach" und ärgert sich über den aktuellen US-Präsidenten.
DER STANDARD

Galileo Galilei hatte kein Google – deshalb musste er auch in Analogien denken, wie Hofstadter vor einigen Jahren in einem Video erzählte: Er habe durch sein Fernrohr schwarze Punkte vor dem Jupiter gesehen, die sich sehr langsam bewegten, und schloss auf runde Himmelskörper und in weiterer Folge auf unseren Mond. Der Trabant bewegt sich ja mit der Erde in der gleichen Richtung, wie sie um die eigene Achse rotiert. Eine Denkübung, vor der man Respekt haben muss. (Peter Illetschko, 25.11.2017)