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Merkel auf der Suche nach einem neuen Weg.

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa via AP

Deutschland wirkt derzeit wie paralysiert. Nach dem Abbruch der Sondierungsgespräche zwischen der Union, den Grünen und der FDP geht eine Schockwelle durch das Land. Sündenböcke werden ausgemacht, vom Ende Angela Merkels als Kanzlerin wird gesprochen, von einer Phase der Unsicherheit, die Europa ins Wanken bringen könnte. Politologen und Beobachter waren "überrascht" vom Abbruch.

Auch wenn der Bundespräsident nun sein ganzes Verhandlungsgeschick und sein politisches Gewicht in die Waagschale wirft: Das Neuwahl-Schreckgespenst manifestiert sich. Vor allem wegen der Unwägbarkeiten bei der Reaktion der Wähler schreckt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier davor zurück, sich für Wahlen im Frühjahr auszusprechen.

Denn eines ist sicher: Die Vorhersehbarkeit politischer Prozesse ist ein Stück weit Vergangenheit. Die Wähler und Wählerinnen sind nicht mehr so berechenbar wie noch vor einigen Jahren. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Parteien sich inhaltlich immer mehr entkernt haben, sich immer stärker um sich selbst drehen. Und dass das von einer breiten Bevölkerung auch so wahrgenommen wird. Es ist mittlerweile längst "gesickert".

Extrem hoch gepokert

Auch deshalb ist es nun das Zeitalter derer, die dieses Narrativ überzeugend verändern können. Das mag sich auch FDP-Chef Christian Lindner gedacht haben. "Nicht regieren ist besser als falsch regieren", so begründete er den Abbruch der Sondierungen. Das ist extrem hoch gepokert, aber sollte es ihm gelingen, diese Lesart für sein Verhalten bei einem Teil des Wahlvolks durchzubringen, dann kann er sich vom Sündenbock der Nation in den nächsten Monaten auch noch zum Retter der Nation wandeln. Dann wäre die Strategie aufgegangen.

So könnten sich Mehrheitsverhältnisse durchaus ändern, Energien freiwerden, die die Wähler noch einmal überlegen lassen, ob ihre Proteststimmen denn bei der AfD wirklich am besten aufgehoben wäre.

Übrigens wäre auch eine Minderheitsregierung grundsätzlich nicht so absurd, wie Merkel behauptet. In Sachsen-Anhalt, Berlin und Nordrhein-Westfalen gibt es Erfahrungen mit dieser Form des Regierens. Zugegebenermaßen fehlt die Erfahrung auf Bundesebene vollkommen, Anregungen könnte man sich von skandinavischen Ländern holen. Warum also nicht Merkel gemeinsam mit der FDP ins Rennen um Mehrheiten für Themen schicken? Schließlich waren die Grünen ja auch schon in den Sondierungsgesprächen bereit, bei manchen Themen an den Rand der Selbstaufgabe zu gehen. (Manuela Honsig-Erlenburg, 21.11.2017)