Oliver Vitouch ist Rektor der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt und Präsident der Universitätenkonferenz.

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Wien – Oliver Vitouch hat eine Idee für ein neues Weltkulturerbe. "Studieren auf Österreichisch" nennt der Präsident der Universitätenkonferenz das System, in dem Studierende Prüfungen bis zu viermal wiederholen können und "jahrelang einfach nicht zur Prüfung antreten, ohne jegliche Konsequenzen". Zudem gebe es hierzulande die Möglichkeit, beliebig viele Studien an so vielen Universitäten wie gewünscht zu inskribieren. "Das heißt aber nicht, dass Sie irgendwas davon wirklich aktiv studieren müssen." Das gebe es in "keinem mir bekannten Universitätssystem auf der Welt".

Für sogenannte "Bummelstudenten" könnte es eng werden. Die Universitätenkonferenz wünscht , dass Studenten, die länger keine Prüfung absolviert haben, "exmatrikuliert" werden – also von der Uni fliegen.
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Ernst gemeint ist der Vorschlag für ein Weltkulturerbe natürlich nicht. Der Rektor der Alpen-Adria-Universität in Kärnten will bei der Pressekonferenz am Montag damit vielmehr verdeutlichen, wie nötig aus seiner Sicht eine Reform des Studienrechts ist. Diese wünschen sich die Rektoren von der nächsten Regierung, die wahrscheinlich von ÖVP und FPÖ gebildet werden wird.

Weniger Wiederholungsprüfungen

Vitouch fordert eine geringere Zahl der möglichen Wiederholungsprüfungen, das Recht für Universitäten, Studierende zu exmatrikulieren, wenn sie längere Zeit keine Prüfungen machen, sowie eine Begrenzung der Studien, für die man sich anmelden darf.

"Die hohe Zahl der Wiederholungsmöglichkeiten führt dazu, dass man es einmal – relativ wenig vorbereitet – probiert, weil es ja eh nicht ernst ist", sagt der Rektor. Eine Begrenzung auf zwei Wiederholungen ist für ihn vorstellbar. Die Studierenden sollen außerdem eine Art Betreuungs- oder Studienvertrag mit ihrer Universität abschließen, als Vorbild soll hier die Regelung bei Doktoratsstudien dienen. Darin soll festgelegt werden, welche Prüfungs- und Studienfortschritte man sich in einem bestimmten Fach vornimmt.

Studierende rauswerfen

Darauf, nach wie vielen prüfungsinaktiven Jahren Studierende von der Uni geworfen werden sollen, will sich Vitouch nicht festlegen. "Das müsste man sich überlegen, wenn man das System insgesamt neu aufsetzt." Es sei aber offenkundig, dass es ein Problem gebe, wenn Studierende eine Regelstudiendauer lang prüfungsinaktiv sind.

Als prüfungsinaktiv gilt ein Studium übrigens dann, wenn im Studienjahr weniger als 16 ECTS absolviert werden. Zum Vergleich: Die Studienpläne sind so konzipiert, dass mit 60 absolvierten ECTS pro Studienjahr das jeweilige Studium in Mindeststudienzeit abgeschlossen werden kann.

Regelstudienzeit ist nicht die Regel

Tatsächlich ist der Anteil der prüfungsaktiven Studien mit 53 Prozent in Österreich sehr gering. Nur 24 Prozent schließen ihr Studium in der Regelstudienzeit ab. Es habe sich eingebürgert, dass Studierende dreißig oder vierzig Stunden arbeiten und "nebenbei ein oder zwei Studien" belegen, sagt Vitouch. Insgesamt gebe es ein "Laissez-faire-System, das maximal liberal und frei und fördernd gedacht ist, das aber in erster Linie leider zum Scheitern einlädt".

Die Rektoren schlagen deshalb erneut vor, ein Teilzeitstudium einzuführen. Die Kategorie "ewig" solle damit wegfallen. In einem Teilzeitstudium solle es möglich sein, länger für ein Studium zu brauchen als die Regelstudiendauer. "Aber um einen definierten Zeitraum länger" – zum Beispiel soll dann ein Masterstudium nicht zwei, sondern drei bis vier Jahre dauern dürfen. "Aber nicht acht Jahre." Das System soll mit zusätzlichen Stipendien unterlegt werden, damit die Studierenden ihre Berufstätigkeit "ein Stück weit zurücknehmen".

Studiengebühren als "Totschlagthema"

Der Idee, durch Studiengebühren mehr Verbindlichkeit im Studium herzustellen, kann Vitouch durchaus etwas abgewinnen. Für "ökonomisch bessergestellte" Studierende könne es Gebühren geben, für jene, die über weniger Mittel verfügen, höhere Stipendien. Die Debatte über Studiengebühren sei in Österreich aber "ein Totschlagthema" geworden, das alles andere überschatte. Zudem bestehe bei Studiengebühren die Gefahr, dass sie wie in Großbritannien "durch die Decke gehen".

Zur Frage, ob erwerbstätige Studierende, die länger studieren als vorgesehen, künftig Studiengebühren bezahlen sollen (DER STANDARD berichtete), verweist Vitouch erneut auf die Möglichkeit des Teilzeitstudiums. So könne das Problem auch gelöst werden.

"Uns fehlen Milliarden"

Vitouch nutzt die Pressekonferenz auch, um einmal mehr auf die Unterfinanzierung der Universitäten hinzuweisen. "Uns fehlen Milliarden", sagt er. Zwar habe es im Wahlkampf wieder Bekundungen gegeben, den tertiären Bildungsbereich – also im Wesentlichen Universitäten und Fachhochschulen – mit zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu finanzieren. Von der Umsetzung sei man aber so weit entfernt wie eh und je.

Der Präsident der Universitätenkonferenz pocht zudem auf die Umsetzung der Studienplatzfinanzierung, die unter Rot-Schwarz zuletzt zwar vorbereitet, aber nicht umgesetzt wurde. Damit einhergehen müssten auch Aufnahmeverfahren, also Zugangsbeschränkungen.

Gegen "Superbildungsministerium"

Nicht unbedingt nötig ist für Vitouch ein eigenständiges Wissenschaftsministerium – zuletzt war dieses mit dem Wirtschaftsministerium zusammengeführt worden. Wichtig sei, dass der künftige Ressortleiter von Wissenschaft, Forschung und Innovation "eine Ahnung hat". Ein "Superbildungsministerium", in dem Kindergärten, Schulen und Universitäten zusammengelegt werden, sieht der Rektor kritisch. Die Nähe zu Forschung, Innovation und Technologie würde so zwangsläufig in den Hintergrund geraten.

ÖH findet Pläne absurd

Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) spricht sich gegen eine von der Universitätenkonferenz (uniko) geforderte Verschärfung des Studienrechts aus. "Die uniko plant offenbar Universitäten ohne Studierende", so die stellvertretende ÖH-Vorsitzende Marita Gasteiger in einer Aussendung. "Wir brauchen ein Umfeld, das Studierende fördert, anstatt sie mit allen Mitteln am Studium zu hindern."(Lisa Kogelnik, 20.11.2017)