Das gar nicht wütende Gesicht des jüngsten Aufstands in der Puppenküche: Christiane Seufferlein.

Foto: Seufferlein

Linz – Längst ist man in Oberösterreichs Radlerhochburg Aschach an der Donau im Winterschlaf. Doch Christiane Seufferlein scheint die Ruhe zu genießen. Aufregung gibt es ohnehin genug.

Die 41-Jährige bestellt Tee. Kalt sei es gewesen am Martinimarkt. Einen ganzen Tag hat Christiane Seufferlein dort coram publico Wolle gefärbt. Die graugrün gefärbten Hände zeugen noch am Abend davon. Aber sie sei halt gern "auf vielen Baustellen aktiv". Die gebürtige Gmundnerin bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann einen Biobauernhof in der kleinen Mühlviertler Gemeinde Julbach und arbeitet drei volle Tage im Marketing der Volkshilfe Oberösterreich. Und seit wenigen Tagen ruht die Hoffnung unzähliger Mütter auf ihren Schultern.

Viel Aufsehen erregt

Mit ihrem Schreiben an Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hat Christiane Seufferlein viel Aufsehen erregt – DER STANDARD berichtete. Das Protestschreiben, mit dem die Mutter einer dreijährigen Tochter das geplante Aus für den Gratiskindergarten nicht so einfach hinnehmen will, wurde auf Facebook bis dato über 5000 Mal geteilt. Dazu kamen unzählige SMS, Briefe, Telefonate. Der Titel "Mühlviertler Wut-Mama" ist eine mediale Selbstverständlichkeit.

Und doch wirkt er fehl am Platz. Am Wirtshaustisch sitzt an diesem Abend keine Frau, die polternd auf den Tisch haut. Man nimmt Christiane Seufferlein den Don Quijote der Krabbelstuben zumindest auf den ersten Blick nicht so recht ab: die dunklen Haare praktisch kurz, die Brille unauffällig, die Bekleidung in grauen Herbsttönen. Die Augen wirken müde. Sie habe halt kaum geschlafen in den letzten Tagen.

Facebook-Posting um fünf Uhr früh

Es war auch nicht primär die Wut, die die 41-Jährige vergangenen Mittwoch um fünf Uhr früh zu dem folgenreichen Facebook-Posting getrieben hat. "Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und überlegt, wie ich die Kinderbetreuung künftig regeln könnte. Denn fällt die Nachmittagsbetreuung im Ort weg, habe ich niemanden für meine Tochter Rie – und muss den Job in Linz aufgeben", erzählt Seufferlein im Gespräch mit dem STANDARD.

Es gehe ihr dabei "nicht so sehr ums Geld". Seufferlein: "Es wird einfach vonseiten der Politik drübergefahren. Zuerst erfährt man nur ganz wenige Details – und dann soll das mit 1. Februar beschlossene Sache sein. Da nimmt man doch den Eltern jegliche Chance, eine Ersatzbetreuung zu organisieren." Sinnvoll wäre es zudem, den Schlüssel für eine Nachmittagsbetreuung zu senken: "Derzeit liegt die Grenze bei zehn Kindern. Diese Zahl wird bei einer kostenpflichtigen Variante in den meisten Landgemeinden nicht mehr zu erreichen sein."

Auftritt bei Demonstration

Christiane Seufferlein hat den Kräutertee mittlerweile mit einem Caffè Latte getauscht. Den rasanten Schritt von der unbekannten Biobäuerin hin zur österreichweit bekannten Galionsfigur verzweifelter Mütter hat die Marketingexpertin noch nicht verdaut: "Es hat mich echt überrollt." Ihren neuen Status betrachtet Seufferlein aber durchaus zwiespältig: "Natürlich genießt man es, in der medialen Sonne zu stehen. Aber ich spüre auch einen gehörigen Druck. Man hat das Gefühl, plötzlich Verantwortung übernehmen zu müssen. Aber ich bin nicht die Mutter Teresa."

Das Licht der Öffentlichkeit wird Christiane Seufferlein dennoch nicht scheuen. Am kommenden Donnerstag findet in Linz eine große Demo gegen die Kindergartengebühren statt – die Mühlviertlerin hat man gebeten, zur Menge zu sprechen. "Ganze zehn Minuten Redezeit. Ich weiß noch gar nicht, was ich da sagen soll." Aber die Biobäuerin steht zu ihren Überzeugungen. Eben ein in der Wolle gefärbter Mensch. (Markus Rohrhofer, 20.11.2017)