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Mitteleuropäischen Moralvorstellungen gebe es im Silicon Valley nicht. "Mach einfach", lautet der Grundsatz.

Foto: SHANNON STAPLETON

Palo Alto / Wien – Zum Gründen braucht man ein Netzwerk. Zum Gründen braucht man schnelle Investments. Und zum Gründen braucht man Risikofreudigkeit. Wer all dies im Superlativ sucht, für den gibt es an der US-amerikanischen Westküste eine Gegend, die all das bietet, inklusive Schwierigkeiten. Natürlich, die Rede ist vom Silicon Valley.

Doch bis zu besagter guter Vernetzung ist es oft ein sehr beschwerlicher Weg. Der deutsch-österreichische Doppelstaatsbürger Christopher Obereder hat sich mit 19 Jahren entschlossen, ins Silicon Valley zu gehen. Das war vor sechs Jahren. In Österreich hätte er die Chance gehabt, bei großen heimischen Firmen in der Social- Media- und Marketingabteilung anzufangen. "Social Media hatte damals noch praktisch keinen Stellenwert in Österreich, deshalb kam das für mich nicht infrage", sagt Obereder.

Durchaus nachvollziehbar, dass jemand, der mit 13 seine erste App programmierte und mit 16 das erste Unternehmen gründete, höher hinaus wollte. Wie sollte es anders sein, es zog ihn in die USA, nach Palo Alto, um genau zu sein. Paylab, ein damals umjubeltes Fintech-Start-up stellte Obereder kurzerhand als Marketing-Chef ein. Das Abenteuer Silicon Valley konnte beginnen.

Euphorie beflügelte

"Alle waren euphorisch und motiviert, und ich habe praktisch durchgearbeitet", erzählt Obereder. Vergütet wurden seine Leistungen jedoch nie. "Bezüglich des Gehalts wurde ich immer wieder vertröstet, da fing ich an, alles zu hinterfragen." Und da war sie dann, die harte Realität. Geld hatte er keines gesehen, und nach nicht einmal drei Monaten war die Firma pleite.

Aktuell arbeitet Obereder mit dem Berliner Start-up Tellonym an einer Marketing-Strategie.
Foto: Tellonym

"Glücklicherweise findest du im Valley in kürzester Zeit einen neuen Job", sagt der heute 25-Jährige. So war es auch, kurz nach der Bruchlandung fing er bei einem anderen Unternehmen an. Warum das so ist, hat einen einfachen Grund: die Hire-and-Fire-Mentalität. Es sei brutal, meint Obereder, man werde von Firmen ausprobiert, und wenn nicht sofort alles passt, sei man die Anstellung schon wieder los. Die meisten Verträge beinhalten eine zweiwöchige Kündigungsfrist und monatliche Kündbarkeit.

Eines haben alle Jungunternehmen gemein: Täglich gewisse Zahlen zu erreichen ist Prämisse – um jeden Preis. Andernfalls dreht der Investor den Geldhahn ab, und im Handumdrehen findet man sich in der monetären Sahelzone wieder. Obereder wuchs mit herkömmlichen mitteleuropäischen Moralvorstellungen auf. Diese gebe es im Silicon Valley nicht, berichtet er. Über Anstands- oder Rechtsverletzungen denke man erst nach, wenn sich ein Anwalt meldet. "Mach einfach", laute der Grundsatz.

Der Beste wird gekrönt

Jeder steht unter Druck, die Gründer am allermeisten. Dennoch, oder gerade deswegen, müssen sie dafür sorgen, dass die Mitarbeiter motiviert bleiben. In Obereders zweiter Firma gab es einen Brauch. Wer am Tagesende die besten Zahlen aufwies, durfte am kommenden Tag eine Krone tragen. "Wer die Krone hatte, fühlte sich unbesiegbar", konstatiert Obereder.

All das ist Teil der Kultur – ebenso wie Zehnerwohngemeinschaften ohne jegliche Privatsphäre oder Rollerblade-Massenveranstaltungen in San Francisco. Er liebt es.

Es habe ihn viel Durchhaltevermögen gekostet, erzählt er heute, aber mittlerweile hat es Christopher Obereder geschafft. Er ist Marketingchef mehrerer Start-ups in den USA und Europa. Dass die Lippensynchronisationsapp Madlipz mehr als zehn Millionen Mal runtergeladen wurde, ist ihm zuzuschreiben. Braucht eine App eine gute Platzierung im App-Store, ruft er bei Apple an und veranlasst das. (Andreas Danzer, 19.11.2017)