"Dem Topos der sich wiederholenden Geschichte wird leider mehr Aufmerksamkeit zugeteilt, als die Geschichte an Wiederholungen zu bieten hat": Die FPÖ-Politiker Harald Vilimsky und John Gudenus wurden diese Woche als No-Gos des Bundespräsidenten gehandelt.

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Der Bundespräsident könnte bei der Bildung einer türkis-blauen Regierung ein Wörtchen mitreden wollen und damit vorbeugend den vielleicht irgendwann einsetzenden Koalitionsfrieden stören. Das gefällt der "Presse" gar nicht. Undiplomatisch vor Diplomaten titelte ihr Leitartikler Donnerstag und schob nach: Bisher hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei den Regierungsverhandlungen eine gute Figur gemacht. Nun möglicherweise einen Fehler.

Der Bundespräsident wird sich sicher gefreut haben, von einem bürgerlichen Blatt bestätigt zu bekommen, er habe bisher gute Figur gemacht. Was den möglichen Fehler betrifft, musste allerdings schon die Geschichte bemüht werden. Geschichte wiederholt sich also doch. Im konkreten Fall ist es dann zwei Mal ein Mittelding aus Tragödie und Farce. Bundespräsident Thomas Klestil lehnte im Jahr 2000 Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas als FPÖ-Minister ab. Nun ließ Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei einem Treffen mit den Botschaftern der EU-Staaten in Österreich verlauten, dass er die Freiheitlichen Harald Vilimsky und Johann Gudenus nicht angeloben würde. Der eine wird an der Gerüchtebörse als möglicher Innenminister gehandelt, der andere als Außenminister.

Vilimskys Erhöhung

Abgesehen davon, dass sich FPÖ-Politiker in der Hofburg über Jahre hinweg einer hartnäckigen Unbeliebtheit zu erfreuen scheinen, sind im vorliegenden Fall Wiederholungen von Geschichte weder im Hinblick auf die handelnden Personen noch auf die von ihnen auszuübenden Ämter festzustellen. Dem Topos der sich wiederholenden Geschichte wird leider mehr Aufmerksamkeit zugeteilt, als die Geschichte an Wiederholungen zu bieten hat. Besonders im Journalismus, wenn eine philosophisch klingende Einleitung gesucht wird.

Im Umkehrschluss hieße, laut "Presse", die gerüchtebörslich gehandelte Erhöhung Vilimskys zum möglichen Innen- und die von Gudenus zum Außenminister dann aber: Der Weg für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ins Innenministerium wäre frei. Ja, sogar jener des vorjährigen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer ins Außenministerium. Worauf dieser Umkehrschluss des "Presse"-Redakteurs beruht, bleibt unerfindlich, hatte es doch bisher stets geheißen, der Bundespräsident wünsche gar keinen Freiheitlichen im Außenamt, im Innenressort am besten auch nicht.

Straches Sehnsüchte

Das dürfte den Sehnsüchten Straches entgegenkommen, berichtete doch das ebenfalls glaubwürdige "Österreich" am Tag zuvor: Strache wird Heimatminister. FPÖ-Chef will nicht Innenministerium, sondern Heimatschutz. Das hätte man in der "Presse" wissen können, hätte man dort, statt einen Umkehrschluss zu ziehen, das Fellner-Blatt studiert.

Auch über die Motive Alexander Van der Bellens, das nun vorab auszuplaudern, kann nur gemutmaßt werden, fährt "Die Presse" in Erfüllung journalistischer Mutmaßungspflicht fort. Die eine Vermutung ist, dass der oft so distanziert wirkende Bundespräsident sein Herz eben doch auf der Zunge trägt, während ausländische Staatskanzleien und EU-Institutionen aus ihren Zungen keine Mördergruben machen: Das Bild der FPÖ ist dort auch ein vielfach negativeres als hierzulande. Hier wäre der Hinweis auf die sich wiederholende Geschichte angebracht gewesen.

Blut- und Bodengrätschen

Jetzt einerseits: Van der Bellen vermittelt dabei den Eindruck, dass er aktiv ins Geschehen der Koalitionsverhandlungen eingreift und dabei den Verhandlungsspielraum einschränkt, indem er einem präsumtiven Regierungspartner bei Personalfragen hineingrätscht. Andererseits: Alexander Van der Bellen geht insgesamt bedächtiger zu Werke als sein quirliger Amtsvorgänger Heinz Fischer. Nicht auszudenken, zu welcher Blut- und Bodengrätsche sich erst der quirlige Amtsvorgänger hätte hinreißen lassen – das wir das nicht mehr erleben durften!

Die Grätsche beweist es: Van der Bellen kann freier agieren als seine Vorgänger, da er selbst als vormaliger Grüner nicht aus dem bisher herrschenden System der Großparteien kam, und in diesem wurde nie hineingegrätscht. Eine Trauermiene bei der Angelobung wird Alexander Van der Bellen dann aber wohl auch nicht aufsetzen – nicht zuletzt aufgrund der historischen Erfahrung. Vor allem aber deshalb, damit sich die Geschichte nicht wiederholt und damit die Tragödie zur Farce und die Farce zur Tragödie wird - falls der Bedarf an Umkehrschlüssen noch nicht ausreichend gedeckt sein sollte. (Günter Traxler, 19.11.2017)