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Robert (93) und Grace Mugabe (53) stehen derzeit unter Hausarrest. Fast vier Jahrzehnte hat Mugabe in Simbabwe mit fast uneingeschränkter Macht regiert.

Foto: Reuters/Bulawayo

Harare/Johannesburg – Im Zentrum der simbabwischen Hauptstadt Harare sind Panzer aufgefahren, der staatliche Fernsehsender ZBC strahlt seit Mittwochmorgen ständig die Ansprache eines Generals der Streitkräfte aus. Der 93-jährige Präsident Robert Mugabe sitzt in seinem Herrenhaus im Luxusviertel Borrowdale fest, mehrere Minister wurden verhaftet.

Trotzdem besteht die Armee darauf, dass es sich bei den Vorgängen in dem südafrikanischen Ruinenstaat keineswegs um einen Putsch handle: "Wir haben lediglich einige Verbrecher ausgeschaltet, die soziales und wirtschaftliches Elend über unser Land gebracht haben", sagt General Sibusiso Moyo. "Wenn es wie eine Ente watschelt und wie eine Ente quakt", zitiert Derek Matyszak vom Institut für Sicherheitsfragen in Pretoria ein Sprichwort, "dann kann man davon ausgehen, dass es sich um eine Ente handelt." Keine Frage: In Simbabwe hat das Militär die Macht an sich gerissen.

"Intervention" soll kein Putsch sein

Die Offiziere legen großen Wert darauf, ihre "Intervention" nicht als Militärputsch erscheinen zu lassen: Sie haben weder das Kriegsrecht ausgerufen noch die Verfassung außer Kraft gesetzt noch den greisen Staatschef seines Amtes enthoben. Die absichtlichen Unterlassungen sollen dafür sorgen, dass das Ausland den Eingriff nicht als Coup, sondern lediglich als Rettungsaktion einstufen kann: Denn andernfalls müssten sowohl die Afrikanische Union (AU) wie der Staatenbund SADC die Vorgänge ihren Satzungen entsprechend verurteilen und die Militärs zur Aufgabe zwingen. Ihre Absicht wäre damit gescheitert: Simbabwe noch vor schlimmerem Unheil zu bewahren.

Die Misere hat sich seit Jahren angebahnt, mit dem Beginn des Machtkampfs um die Nachfolge Robert Mugabes. Dessen zweiter Ehefrau, der 41 Jahre jüngeren Grace Mugabe, muss jemand den Floh ins Ohr gesetzt haben, das Zeug zur Präsidentin zu haben.

Ob sie dabei auf die Unterstützung ihres Mannes zählen konnte, war lange nicht klar: Allerdings konnte nur durch den Aufbau einer Dynastie sichergestellt werden, dass der wachsende Reichtum der Familie auch nach dem Ableben des Patriarchen nicht angetastet wurde. Die Präsidentengattin wird im Volksmund "Gucci Grace" genannt – wegen ihrer Neigung zum Luxus, die sie unter den Simbabwern unbeliebt macht.

Mit Säuberungen nach oben gekämpft

Trotzdem gelang es ihr, sich zumindest in der Regierungspartei Zanu-PF nach oben zu kämpfen – gerade rechtzeitig zur Entscheidungsschlacht um die Nachfolge. Als Präsidentin der Frauenliga war Grace Mugabe in die erste große Säuberungswelle innerhalb der Zanu-PF verwickelt: Vizepräsidentin und Nachfolgekandidatin Joice Mujuru wurde vor drei Jahren mit Schimpf und Schande aus der Partei geworfen. Damals war Emmerson Mnangagwa noch auf der Seite von Grace: Sie schien ihm weniger gefährlich als Joice Mujuru zu sein. Mnangagwa, der wegen seiner Verschlagenheit "das Krokodil" genannt wird, zählt zu den ältesten Vertrauten Robert Mugabes: Er hatte ihm schon in den 1970er-Jahren als persönlicher Assistent im Befreiungskampf gedient. Der 75-jährige Vollblutpolitiker hatte allen Auguren zufolge die besten Chancen, die Nachfolge Mugabes anzutreten.

Zur allgemeinen Überraschung schlugen Grace und ihr greiser Ehemann in der vergangenen Woche zu: Über Nacht wurde Mnangagwa seines Amtes als Vizepräsident enthoben und aus der Partei ausgeschlossen: Dort hatte sich die Präsidentengemahlin inzwischen eine nicht unerhebliche Machtbasis geschaffen. Ihrer G40 genannten Gruppe hatten sich mehrere Minister und vor allem die Jugendliga der Zanu-PF angeschlossen: Die "Generation der 40-Jährigen" schien den Machtkampf mit dem Krokodil nun für sich entschieden zu haben. Die ehrgeizige Präsidentengattin sollte beim bevorstehenden Parteitag der Zanu-PF im Dezember zur Vizepräsidentin erhoben werden.

Nagelprobe steht bevor

Mnangagwa kann sich aber offensichtlich noch immer auf das Militär verlassen: Die Offiziere hatten dem Treiben der Präsidentengattin ohnehin mit zunehmendem Unbehagen zugeschaut. Nicht nur, dass es Grace vor allem auf Bereicherung anzukommen schien: Ihr Machtantritt hätte für das ohnehin ruinierte Land noch größeres Unheil bedeutet.

Militär und Krokodil scheinen die Lage mit ihrem Coup tatsächlich unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. Die Mugabes sitzen in Hausarrest, die Armee steht geschlossen hinter den Putschisten. Allerdings steht Mnangagwa und seinen militärischen Freunden die Nagelprobe erst bevor: Zunächst müssen sie die Nachbarstaaten davon überzeugen, dass es sich tatsächlich um eine "Rettungsaktion" und keinen Putsch gehandelt hat – denn sonst sind sie chancenlos isoliert. Außerdem müssen sie eine Mehrheit in der Regierungspartei finden: Andernfalls wären die Generäle doch noch "gezwungen", die Verfassung aufzuheben. Noch ist es nicht ausgeschlossen, dass sich im Süden Afrikas eine Militärdiktatur etabliert. (Johannes Dieterich, 15.11.2017)