Selbst in Wien-Döbling gibt es jetzt gute vietnamesische Küche – und abenteuerliche Maki-Rollen noch dazu.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Rosenberg-Garnelen werden auf der Schale gegrillt und mit allerhand Thaispargel, Zuckerschoten und anderem Gemüse in einer wundersam aromatischen Sauce serviert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Sosaku in der Neustiftgasse genießt bei vielen Wiener Sushi-Essern Kultstatus. Die Signature-Dishes – überreichhaltige Sushi-Platten und abenteuerlich garnierte Maki-Rollen – sind dank hochgradig Instagram-tauglicher Anrichtetechnik zum Social-Media-Phänomen geworden.

Dass der langjährige Besitzer Vu Tuy Ky Vietnamese ist, konnte dem Netznimbus als "bester Japaner Wiens" ebenso wenig abträglich sein wie das Essen, das zwar hauptsächlich aus Reis und rohem Fisch besteht, mit Sushi aber nur entfernt etwas gemein hat. Was in Japan für minimalistische Delikatessen aus achtsam selektierten Grundprodukten steht, entwickelte sich erst in Kalifornien und irgendwann auch in Wien-Neubau zu einer Anhäufung zusehends abenteuerlicher Zutaten, die mit beachtlicher Fingerfertigkeit in und auf feuchte Rollen gepresst werden.

Beef Tataki Maki mit gegrilltem Steak, dem italienischen Fettfrischkäse Mascarpone, Gurke, Avocado und Kapern ist ein gutes Beispiel für so eine typische Sosaku-Rolle. Spicy Crab Roll mit in süßer Mayonnaise mariniertem Krabbenfleisch, frittierter Zuchtgarnele und ein bissl Scharf ein anderes.

Oder Samurai Roll aus Tunfisch-Tartare und Garnelentempura, die vor dem Anrichten in Röstzwiebeln gerollt wird: Wegen derartiger Kreationen steuern auch solche Gäste das Sosaku an, welche die Idee von rohem Fisch auf kaltem Reis an sich ablehnen. Mit ein bissl braunem Knusper geht bei uns aber fast alles. Wenn das Zeug dann nach Zwiebelstangerl schmeckt, erst recht.

Fokus auf vietnamesische Küche

Es wäre ungerecht, solche Praktiken grundsätzlich als Irrtum abzutun. In einem Land, wo qualitätsvoller Meeresfisch aus rätselhaften Gründen stets doppelt so teuer zu sein hat wie in fast allen Nachbarländern, muss man sich als Sushi-Wirt eben nach der Decke strecken – und im Zweifel auf die Zugkraft anderer Belagsformen setzen.

Das ist auch in Vu Tuy Kys neuem Restaurant Vienam (sic!) auf der Döblinger Hauptstraße, das vor ein paar Wochen aufgesperrt hat und sich vom ersten Abend weg enormer Beliebtheit erfreute, nicht anders. Das Sosaku hat er vor mehr als einem Jahr verkauft, die neuen Betreiber setzten aber alles daran, den Wechsel möglichst unbemerkt zu lassen.

Im Vienam gibt es die Rollen ebenso, der Fokus wird aber zusehends auch auf die vietnamesische Küche gelegt. Sommerrollen, mit Ente, mit geschmortem Rind oder Garnelen gefüllt, geraten dank frischer Kräuter, knackiger Gurke und bissfester Reisnudeln mindestens so breitenwirksam wie die Fantasy-Maki.

Dagegen sind die Frühlingsrollen Cha gio in zu dicken, in der Fritteuse mit Öl vollgesogenen Teig gewickelt – keine Empfehlung. Viel besser, wenn auch keineswegs vietnamesisch: Gemüsetempura – ideal bissfest, knusprig, federleicht. Klassische Tentsuyu-Sauce mit Dashi und Daikon-Rettich wäre aber passender als eine süßsaure Abwandlung.

Warm werden

Pho Bo, Reisnudelsuppe mit Kräutern, ist ein wunderbar dichtes Kompendium. Wer die in der Brühe angegarten Rindfleischscheibchen durch die bereitgestellte Hoisin-Chilisaucen-Kombo zieht, dem wird richtig warm.

Vergleichsweise zart im Geschmack: Tintenfisch mit knackigem Sellerie aus dem Wok, bei dem frischer Dill eine wunderbar stimmige Verbindung mit Fischsauce und Ingwer eingeht. Rosenberg-Garnelen werden auf der Schale gegrillt und (siehe Bild) mit allerhand Thaispargel, Zuckerschoten und anderem Gemüse in einer so wundersam aromatischen Sauce serviert, dass selbst jugendliche Grünzeugphobiker ihre Prinzipien vergessen und alles aufputzen. Die Kosten muss angesichts des mehr als heftigen CO2 -Abdrucks dieses Tellers dann aber auch die nächste Generation tragen. (Severin Corti, RONDO, 17.11.2017)

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