Christian Kern steht tief in der Künette. Die SPÖ ist derzeit eine einzige Baustelle. Das betrifft sowohl die Aufstellung im organisatorischen Bereich wie auch die inhaltliche und ideologische Ausrichtung. Immerhin erweckt Kern den Eindruck, die Umbauarbeiten von einer Regierungs- zu einer Oppositionspartei mit Engagement tragen zu wollen.

Die Parteizentrale ist eine Ruine. Als Kanzler hatte Kern Wichtigeres zu tun, als in die Partei hineinzuhören und ihren Regungen nachzuspüren. Das Personal in der Löwelstraße ist ausgedünnt, strategische Planung und grundsätzliches Nachdenken finden hier schon länger nicht mehr statt. Die Führungsagenden wurden einem Parteimanager überantwortet, der diese eher schlecht als recht wahrnahm, was sich in einem handwerklich schlecht umgesetzten Wahlkampf mit zahlreichen Pannen manifestierte.

Erschwerte Bedingungen

Kern wird die Zügel wieder selbst in die Hand nehmen müssen, und das unter erschwerten Bedingungen. Bisher konnte er auf eine Hundertschaft von Mitarbeitern und Zulieferern aus dem Kanzleramt, den Ministerien, dem Bundespressedienst oder dem Verfassungsdienst zurückgreifen. Das fällt in Zukunft komplett weg. Diese Einrichtungen werden künftig – personell neu zusammengesetzt – anderen zuarbeiten: dem neuen Kanzler Sebastian Kurz und seinem türkis-blauen Team.

Kern wird sich ein schlankes Team an verlässlichen Mitarbeitern in der Parteizentrale und der Parteiakademie schaffen müssen. Er wird einen Teil seines Wirkens in den Parlamentsklub verlegen, was immerhin zu einer Aufwertung der Abgeordneten, die sich als Regierungsfraktion zu oft mit dem Abnicken zufriedengaben, führen sollte. Arbeiterkammer und Gewerkschaften werden an Bedeutung gewinnen, auch wenn diese vorwiegend mit sich selbst und dem Abwehrkampf gegen die neue Regierung beschäftigt sein werden.

Inhaltliche Neuorientierung

Wichtiger als die personelle Aufstellung ist aber eine inhaltliche Neuorientierung. Das aktuelle Parteiprogramm ist aus dem Jahr 1998 und in vielen Themenfeldern nicht mehr zeitgemäß. An einer Neufassung laboriert die SPÖ mit wechselhaftem Aufwand seit Jahren, zuletzt hatte Kern die offenbar lieb- und mutlosen Versuche einer Inhaltsfindung immer wieder zurückgeworfen und das Parteiprogramm schließlich durch seinen "Plan A" ersetzt. Dieser Plan bot in seinem pragmatischen Ansatz zwar konkrete Handlungsanleitungen für den politischen Alltag, ist mangels Umsetzbarkeit aber überholt. Eine grundsätzliche Diskussion über die ideologische Ausrichtung wird der SPÖ nicht erspart bleiben.

Die Rolle in der Opposition sollte es der SPÖ jedenfalls ermöglichen, ihre Kanten ideologisch schärfer nachzuziehen, als das in Regierungsverantwortung möglich gewesen sein mag. "Wir sind die Partei der 95 Prozent", das ist eine ebenso fröhliche wie lebensferne Ansage von Kern. Mit einem programmatischen Allerweltskonzept kann das nicht gelingen. Anstatt sich in alle Richtungen anzubiedern und dabei ein paar Grün- und Pilz-Wähler aufzuklauben, muss sich die SPÖ überlegen, wie sie sich mit dem Gerechtigkeitsthema bei FPÖ-Wählern verständlich machen kann, ohne deren tumbem Reflex der Ausländerfeindlichkeit nachzugeben. Das funktioniert nicht mit blindem Reindreschen aus der Opposition, sondern nur mit einer ideologisch klaren Haltung und einer inhaltlich exakten Arbeit. (Michael Völker, 14.11.2017)