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In Österreich sind Schiedsgerichtsverfahren keinem Vertraulichkeitsstandard unterworfen. Die Parteien müssen dazu eine explizite Vereinbarung schließen.

Foto: dapd / Nigel Treblin

Wien – In der Wirtschaft hat sich die Schiedsgerichtsbarkeit aufgrund ihrer praktischen Vorteile als Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit etabliert. Schließen Unternehmen eine Schiedsvereinbarung ab, entscheidet ein privates Schiedsgericht über ihre Streitigkeiten. Unternehmen können so die Austragung von Konflikten nach ihren Vorstellungen mehr oder weniger frei gestalten.

Die Schiedsgerichtsbarkeit ist nicht nur effizienter und kostengünstiger, sie kann auch vertraulich geführt werden. Unternehmen haben häufig das Bedürfnis, Streitigkeiten nicht öffentlich auszutragen. Der Hauptgrund ist die Bewahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen – geheime technische Lösungen oder betriebliche Daten und Kalkulationen –, aber gegebenenfalls auch die Vermeidung von Reputationsschäden etwa aufgrund eines bloßen Vorwurfs der Korruption oder Untreue.

Schiedsverfahren sind in der Regel insofern vertraulich, als sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden und Schiedsurteile grundsätzlich nicht veröffentlicht werden.

Allerdings gibt es in der Schiedsgerichtsbarkeit keinen Automatismus der Vertraulichkeit; "strenge Vertraulichkeit" ist per se kein selbstverständlicher Bestandteil eines Schiedsverfahrens. Im Gegenteil: Bestand, Adressatenkreis und Umfang der Vertraulichkeitspflicht sind häufig mangels ausdrücklicher Regelung nicht klar.

Daher sind Parteien gut beraten, im konkreten Einzelfall zunächst intern bzw. mit ihren Rechtsvertretern zu prüfen, inwiefern ein Vertraulichkeitsbedarf besteht, um in der Folge mit der Gegenseite eine explizite Vereinbarung abzuschließen. Dies kann im Vertrag selbst oder zu Beginn eines Verfahrens erfolgen.

Schiedsinstitutionen

Ob ein Verfahren vertraulich bleibt, hängt auch von den Regeln der angerufenen Schiedsinstitution ab, etwa die Internationalen Handelskammer in Paris (ICC). In Österreich führt das Internationale Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC) Schiedsverfahren nach den Wiener Regeln. Einen einheitlichen Vertraulichkeitsstandard gibt es dabei nicht.

So haben die Wiener Regeln keine ausdrückliche Vertraulichkeitsregelung. Nach der ICC-Schiedsgerichtsordnung kann eine Partei beantragen, dass das Schiedsgericht Verfügungen zur Wahrung der Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens erlässt oder Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und vertraulichen Informationen ergreift.

Andere Institutionen sehen wiederum von vornherein Vertraulichkeitsbestimmungen vor, die alle am Schiedsverfahren Beteiligten (nicht aber Zeugen und Sachverständige) zu umfassender Vertraulichkeit verpflichten – sogar hinsichtlich der Existenz des Schiedsverfahrens.

Know-how schützen

Die Tragweite der Vertraulichkeitsthematik lässt sich an einem Streit zwischen einem marktführenden Hersteller aus der Steiermark und seinem ungarischen Sublieferanten ersehen. Der Hersteller hatte ein Interesse daran, Geschäftsgeheimnisse und Know-how – beides hat er dem Sublieferanten durch die Einbindung in den Produktionsprozess teilweise zugänglich gemacht – zu schützen.

Ein Nach-außen-Dringen dieser Informationen könnte Wettbewerbsnachteile, Umsatzeinbußen und Kundenverluste bedeuten. Um zu verhindern, dass geheimes Know-how oder Kosten und Margen von Produkten Konkurrenten bekanntwerden, etwa weil die unterliegende Seite sie aus Enttäuschung weitergibt, wurden Vertraulichkeitspflichten vereinbart.

Verletzt der Sublieferant nun während des Schiedsverfahrens die Vertraulichkeitsverpflichtungen, kommen als Sanktion schiedsgerichtliche Verfügungen zur Unterlassung von (weiteren) Offenlegungen infrage. Für Verletzungen nach Abschluss des Schiedsverfahrens wird der Hersteller auch Schadenersatzansprüche geltend machen können. (Niamh Leinwather, Désirée Prantl, 13.11.2017)