Kasino-Vorständin, ÖVP-Vizechefin und Koalitionsverhandlerin ist sie bereits. Will Parteichef Sebastian Kurz sie jetzt zu Ministerin machen? Bettina Glatz-Kremsner weicht aus.

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Im Rotary-Klub Wien Stephansdom übt man sich mit einem Vorstandsmitglied derzeit in besonderer Nachsicht. Es ist auch nur verständlich, dass Bettina Glatz-Kremsner, Vorstandsdirektorin der Casinos Austria, derzeit nicht bei den mittwochmittäglichen Treffen im Café Demel am Wiener Kohlmarkt auftaucht. Auch wenn man dort, in der "Ehrgeizler-Loge", wie die Rechercheplattform dossier.at die Vereinigung nennt, normalerweise auf so illustre Netzwerker wie Ex-Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), die Direktorin der Nationalbibliothek Johanna Rachinger oder Heute-Herausgeberin Eva Dichand trifft.

Doch Bettina Glatz-Kremsner hat dieser Tage anderes zu tun. Das liegt nicht nur an ihrer Rolle als Finanzvorständin beim teilstaatlichen Glücksspielkonzern. Und auch nicht an ihren aktuell drei Aufsichtsrats- und mindestens acht weiteren Funktionen in diversen Gremien von B wie "Bundesdenkmalfreunde" bis W wie "Wirtschaft für Integration". Derzeit ist die 55-Jährige vor allem Koalitionsverhandlerin – für die ÖVP.

Mit Sebastian Kurz verbindet die "Tini", wie sie Vertraute gerne nennen, seit dessen Zeit als Integrationsstaatssekretär eine gegenseitige Wertschätzung, heißt es. Dass diese so weit reicht, dass sie jetzt für die Türkisen am Verhandlungstisch sitzt, freut Glatz-Kremsner: "Ich glaube, dass ich im Bereich Wirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten kann."

Die Pröll-Jahre

Die Liebe zur ÖVP hat sich seit vielen Jahren angebahnt. Erwin Pröll erinnert sich an sein erstes Zusammentreffen mit der damaligen Wirtschaftsstudentin bei einer Wahlkampfveranstaltung im niederösterreichischen Himberg: "Plötzlich kam eine junge Dame auf mich zu und wollte mich davon überzeugen, beim nächsten Wahlgang doch die ÖVP zu wählen", blickt der langjährige Landeschef auf das Jahr 1983 zurück, als er – damals Landeshauptmannstellvertreter – noch nicht bei allen bekannt gewesen zu sein scheint. Kein Wunder. Glatz-Kremsner hatte zu diesem Zeitpunkt 15 ihrer damals 21 Jahre in Ungarn verbracht. Der Vater, Leiter des Kulturinstituts in Budapest, die Mutter, Hausfrau, übersiedeln mit ihr und den beiden älteren Geschwistern, als das Kind drei Jahre alt ist. Es folgt der Besuch der englischsprachigen Grundschule und des ungarischen Gymnasiums. Als sie zum Studium nach Österreich zurückkehrt, fehlt ihr so manch deutsches Vokabel – und die intime Kenntnis der heimischen Politik.

Nach einer etwas längeren Studienzeit (Engagement in der niederösterreichischen Landespolitik, u.a. beim Bauernbund) heuert Glatz-Kremsner bei den Casinos Austria an. Sie soll im Jahr 1991 den ungarischen Lotto-Ableger aufbauen – ein Traumjob für sie, kann sie doch wieder zurück in die geliebte Zweitheimat. Als das Auslandsabenteuer des Konzerns sechs Jahre später mit dem Start eines eigenen ungarischen Glücksspielgeschäftes wieder zu Ende geht, beginnt für Glatz-Kremsner eine neue Lebensphase: Sohn Constantin kommt zur Welt. Die neue Doppelrolle gelingt unter Mithilfe von Ehemann Peter, einem Pädagogen, und den Großeltern.

Im Jahr 1998 ist sie zurück als Vorstandsassistentin, kümmert sich später um den Bereich Synergien und wird 2006 Vorständin bei den Lotterien. Vier Jahre später folgt der Vorstandsposten bei den Casinos Austria. Gleichzeitig knüpft die Quick-Tipp-Spielerin immer stärkere Bande zur Politik. "Bei rund 15 Wahlgängen hat sie mich seither begleitet", erzählt Erwin Pröll, der sie einst vergeblich in die niederösterreichische ÖVP holen wollte. Zuletzt war sie in seinem Personenkomitee aktiv. Heute gehört die "polyglotte Dame" zu Prölls Freundeskreis, sie sei überhaupt "schnell auf Du und Du, aber nicht oberflächlich", sagt Pröll. Bei Sebastian Kurz ist es 2011 so weit. "Ich schätze an ihm seine Gabe, zuhören zu können", sagt Glatz-Kremsner heute. Im Juli 2017 wird sie seine Stellvertreterin. Die Parteimitgliedschaft beantragt sie knapp davor.

Unvereinbarkeiten will Glatz-Kremsner bei ihrem Spagat zwischen teilstaatlichem Unternehmen und Politik nicht erkennen: "Ich habe mir das rechtlich genau angesehen und genau deshalb nicht für den Nationalrat kandidiert." Natürlich werde man mehr gehört, wenn man näher dran ist an der Politik, sagen auch die wohlgesonnenen Beobachter, aber – Prinzip Hoffnung – sie werde schon wissen, was sie tut.

Ministerinnenkurve

Höhere politische Weihen, etwa ein Ministeramt, das kommentiert sie nur ungern: Sie sei ihr halbes Leben schon bei den Kasinos, mache das sehr gerne, umschifft Glatz-Kremsner. Gegen das Gerücht, kasinointern noch einigen Ehrgeiz zu haben, wehrt sie sich nicht. Der Vertrag von Karl- Stoss-Nachfolger Alexander Labak läuft bis Ende 2019. Insider halten eine "Rückkehr" vom Tisch der Koalitionsverhandler an jenen der Kasinovorständin allerdings für unrealistisch. Schon die Bestellung zur Parteivize lag manchem in ihrem professionellen Umfeld im Magen, jetzt könnte sich das allmählich zum Geschwür verdichten. Viel plausibler sei ein nächster Karriereschritt, der nicht zwingend in Richtung Ministeramt erfolgen müsse, heißt es. Bettina Glatz-Kremsner denke "breiter als nur Lotterien" – wie ihre Aufsichtsratsmandate zeigen würden. Warum nicht in eine neu designte Bundesbeteiligungsges.m.b.H. (Öbib, die frühere ÖIAG) mit erweitertem Portfolio wechseln?

Bettina Glatz-Kremsner wird vieles zugetraut. Mit wem man auch spricht über die Unternehmerin in Kurz' Koalitions-Taskforce, es fallen ausschließlich Zuschreibungen wie: "Effizient", "humorvoll", "die, die die Hacke macht", "kneift nicht vor Herausforderungen". Rechtsanwalt Andreas Theiss, mit dem sie bis Juli in der Forum-Morgen-Privatstiftung des Landes Niederösterreich saß, würde ihr in der Ministerfrage raten: "Du, bitte, mach das, das ist gut für's Land."

Doch schon jetzt ist das Multitasking nicht immer mit dem Privatleben der in Pöggstall lebenden Wahlniederösterreicherin kompatibel. Ein gemeinsamer Kurzurlaub mit ihrem Mann musste unlängst abgebrochen werden – es gab wichtige Termine. Die Reiseleitung für den Rotary-Klub nach Budapest ließ sich die ungarische Honorarkonsulin hingegen nicht nehmen. Trotz, nicht wegen Viktor Orbán. Wie sie es mit der FPÖ hält? Sie habe "keine Vorbehalte", mehr will sie in der aktuellen Verhandlungsphase nicht sagen. (Karin Riss, 11.11.2017)