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Sich krümmen vor Angst: Mitunter drückt diese Körperhaltung auch ein Bauchgefühl aus.

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Unser Körper ist wie eine Wohngemeinschaft. Auf ihm und in ihm leben Billionen von Mikroben Seite an Seite mit menschlichen Zellen. Die Mikroorganismen besiedeln vor allem den menschlichen Darm, sind aber auch auf der Haut und an den Körperöffnungen zu Hause. Mehr und mehr stellt sich heraus: Wie in einer WG kommt es auch in unserem Körper auf die richtigen Mitbewohner an, damit wir uns wohlfühlen.

Schon länger ist bekannt, dass Patienten mit Angststörungen und Depressionen über ein weniger günstiges Mikrobiom verfügen. Nun verdichten sich die Hinweise, dass auch bei Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) die Darmflora aus der Balance gerät. Ob Krieg, Verkehrsunfälle, sexuelle Übergriffe oder häusliche Gewalt: Menschen müssen in ihrem Leben zwar oft Traumatisches mitmachen, doch längst nicht jeder kämpft anschließend mit einer ständigen Angespanntheit, Angst und Gereiztheit. Nicht jeder leidet unter quälenden Erinnerungen, die immer wieder im eigenen Kopfkino ablaufen. Es hängt nämlich unter anderem vom sozialen Umfeld und der genetischen Veranlagung ab, ob sich aus traumatischen Erlebnissen eine PTBS entwickelt.

Böses Bakterientrio

Aber möglicherweise spielt auch eine Rolle, was in unserem Darm passiert. Das legt eine 2017 im Fachblatt Psychosomatic Medicine veröffentlichte kleine Pilotstudie von Forschern um Sian Hemmings von der südafrikanischen Stellenbosch University nahe. Die Wissenschafter verglichen das Darm-Mikrobiom von Probanden mit PTBS mit demjenigen von Menschen, die zwar auch ein Trauma erlitten hatten, aber ohne eine solche Erkrankung durchs Leben gingen.

Dabei stießen die Forscher auf ein Trio von Bakterien, darunter sogenannte Actinobakterien, die bei den Versuchspersonen mit PTBS im Vergleich zu den nichterkrankten Probanden in geringerer Fülle vorhanden waren. Das dürfte kein Zufall sein. Schließlich spielen diese Bakterien eine wichtige Rolle bei der Regulation des Immunsystems. Das wiederum passt gut ins Bild, denn bei Menschen mit PTBS fanden Forscher übertriebene Reaktionen des Immunsystems. Die Vermutung von Sian Hemmings: Die geringe Zahl dieser drei Bakterien könnte zu einer Fehlregulation des Immunsystems geführt und so zu den Symptomen der Erkrankung beigetragen haben.

"Wenn das Mikrobiom weniger vielfältig ist, ist man weniger resistent gegenüber Stress und schüttet auch mehr Stresshormone aus", erklärt Gabriele Moser, Fachärztin für Innere Medizin und Psychotherapeutin an der Med-Uni Wien. "Stresshormone wie Cortisol und Noradrenalin wiederum sorgen dafür, dass sogenannte Pathobionten, spezielle Bakterien, aktiviert werden und anfangen, toxisch zu werden." Normalerweise verfügen wir über eine dichte Darmschleimhaut, die Vielfalt hilfreicher Bakterien entscheidet mit, wo eine Alarmreaktion stattfinden muss.

Essen und Psyche

"Unter Stress kann aber die Vielfalt nützlicher Bakterien reduziert sein und die Darmschleimhaut durchlässiger werden", sagt Moser. In der Folge gelangen mehr Antigene durch die Darmschleimhaut und lösen eine wahre Kettenreaktion aus. Immunzellen schlagen Alarm und sorgen für Entzündungsreaktionen. Das kann die Produktion bestimmter Eiweiße, entzündungsfördernder Zytokine, ankurbeln, was auch unser Gehirn nicht kaltlässt. Denn der Darm und die oberste Denkzentrale kommunizieren über verschiedene Wege miteinander. Unter anderem über die besagten entzündungsfördernden Zytokine, indem der Darm die Vorläuferprodukte von Serotonin, einem die Stimmung beeinflussenden Botenstoff im Gehirn, bereitstellt und beeinflusst.

Entzündungsreaktionen im Darm können sich so auf das Gehirn und die Stimmung auswirken. "Es ist durchaus plausibel, dass auf diesen Wegen die Stressresistenz abnimmt und die Anfälligkeit für eine posttraumatische Belastungsstörung steigt", so Moser. Allerdings liefert die kleine Pilotstudie mit wenigen Probanden nur einen ersten Anhaltspunkt in diese Richtung. Zudem kann sie nicht aufzeigen, was Henne und was Ei in dieser Problematik ist. Es könnte durchaus umgekehrt sein, wie Moser betont: "In der Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung ernähren sich die Betroffenen eventuell schlechter, was zu einer Veränderung der Darmflora mit weniger hilfreichen Bakterien führt."

Wichtiger Baustein

Sollte sich allerdings die Rolle der Darmflora bei der Entstehung von PTBS bestätigen, könnte die Ernährung ein Baustein in der Behandlung werden. So gibt es Hinweise, dass sich eine gesunde Diät positiv auf psychische Störungen auswirken könnte. Erst kürzlich hat das eine Studie im Fachblatt BMC Medicine im Fall von Depressionen gezeigt.

Diskutiert wird auch die Rolle von Nahrungsergänzungsmitteln, von Probiotika etwa, also Lebensmitteln mit speziellen Bakterienkulturen, die von den Herstellern als wahre Wundermittel angepriesen werden. Gabriele Moser ist skeptisch. Zwar gebe es Hinweise, dass sie die seelische Gesundheit günstig beeinflussen, aber es sei noch zu früh für eine tatsächliche Empfehlung. "Zudem fördert die Industrie viele derartige Studien, das ist ein Riesenmarkt", so Moser. Da müsse man vorsichtig sein, für objektive Ergebnisse brauche es mehr öffentliche Forschungsförderung. "Viel wichtiger scheint es, auf alte Weisheiten zu setzen: sich gesund zu ernähren, die Stressbewältigung zu stärken und sich viel zu bewegen." (Christian Wolf, 13.11.2017)