Vier Tatbestandselemente sind in Österreich zu erfüllen, damit es sich nach dem Gleichbehandlungsgesetz um sexuelle Belästigung handelt.

Foto: Elmar Gubisch

Wien – Ein "Dauerbrenner" ist das Thema "sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz" in der Beratungspraxis der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), wie Sabine Wagner-Steinrigl, Juristin bei der GAW, im August in einem Artikel in der Zeitschrift "Aktuelles Recht zum Dienstverhältnis" ("ARD") schrieb. Im Gleichbehandlungsgesetz ist festgelegt, wie diese Form sexueller Belästigung definiert ist.

Vier Tatbestandselemente sind laut Wagner-Steinrigl in Österreich zu erfüllen, damit es sich nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) um sexuelle Belästigung handelt. Dies ist zunächst ein "Verhalten aus der sexuellen Sphäre", welches vom Gesetz sehr weit gefasst ist. Darunter fallen verbale Äußerungen (wie etwa sexuell konnotierte Witze oder Kommentare, Bemerkungen über Figur/Körper/Aussehen, sexuelle Vorlieben oder Praktiken etc.) sowie bildliche Darstellungen bis zu unerwünschten Annäherungsversuchen und körperlichen Übergriffen. Das betreffende Verhalten muss ein Mindestmaß an Intensität überschreiten, wobei hier allerdings kein strenger Maßstab anzulegen ist, schrieb die Juristin.

Dazu komme die Verletzung der Würde. Diese sei objektiv zu beurteilen. Jedenfalls muss ein "herabwürdigendes Element im Verhalten zum Ausdruck kommen, das zeigt, dass der betroffenen Person nicht respektvoll und auf Augenhöhe begegnet wird", erklärte Wagner-Steinrigl.

Unerwünschtheit als Tatbestandselement

Das dritte Tatbestandselement ist die "Unerwünschtheit", die subjektiv zu beurteilen ist und somit einen sehr seltenen Fall in gesetzlichen Regelungen darstellt. Es komme hier auf die individuelle Grenze an, was eine Person als unpassend und damit unerwünscht empfinde. Viertens muss die Belästigung mit einer Beeinträchtigung des Arbeitsumfeldes verbunden sein – es muss ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Arbeitsumfeld geschaffen werden oder bezweckt sein.

Jedes Verhalten, das der sexuellen Sphäre zugehörig und der betroffenen Person unangenehm ist, stellt laut GAW eine sexuelle Belästigung dar. Praxisbeispiele dafür gebe es viele: u. a. das Aufhängen sexuell anzüglicher Bilder, Hinterherpfeifen, das Erzählen anzüglicher Witze, scheinbar zufällige Körperberührungen, anzügliche – auch in "Komplimente" verpackte – Bemerkungen, unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht, Po-Grapschen, aufgedrängte Küsse, die Androhung beruflicher oder sonstiger Nachteile bei sexueller Verweigerung.

Belästiger oft Vorgesetzte

Entscheidend dabei ist jedoch immer das subjektive Empfinden der Belästigten. Überdurchschnittlich häufig handle es sich bei belästigenden Personen um Vorgesetzte. Dabei werden Machtpositionen bzw. Abhängigkeitsverhältnisse ausgenützt. Aber auch sexuelle Belästigungen im Kollegenkreis oder durch Dritte sind laut GAW oft Machtdemonstrationen.

Eine sogenannte Ablehnungspflicht beinhalte das Gleichbehandlungsgesetz nicht, betonte Wagner-Steinrigl in ihrem Text. Das bedeutet, dass Personen, die sich belästigt fühlen, dies nicht explizit zum Ausdruck bringen müssen. Auch der Oberste Gerichtshof (OGH) legte heuer fest: "Es ist daher klarstellend festzuhalten, dass die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG ist."

Oft ist eine klare Ablehnung jedoch schwierig, und die Betroffenen durch sexuelle Belästigung in einer Zwangslage, erläuterte die Juristin: "Hier spielen die eigene Erziehung und vergangene Erlebnisse, insbesondere Gefühle von Scham oder auch Mitschuld eine große Rolle." Auch die Situation selbst, beispielsweise die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, trage dazu bei, Belästigern Ablehnung zumindest anfänglich nicht in aller Deutlichkeit zu zeigen.

Gegen belästigende Personen stehen den Betroffenen Schadenersatzansprüche zu. Der Arbeitgeber habe die Verpflichtung, Abhilfe gegen die sexuelle Belästigung zu schaffen. Andernfalls können auch hier Ansprüche entstehen, hieß es von der GAW. (APA, 8.11.2017)